Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Wasser.
»Du wirst hoffentlich nicht denken, daß ich mich mit diesem Wasser wasche«, sagte ich.
»Von Waschen kann nicht die Rede sein«, schnaubte er zurück, »wir müssen das Rohr auftauen, sonst platzt es!« Wir wickelten Tücher um die kalte Röhre und gossen heißes Wasser darüber. Wir hielten brennende Holzscheite an die kalten Stellen. Wir verbrannten uns die Finger. Eine Feuersbrunst war nicht zu befurchten, die ganze Küche troff von heißem Schneewasser. Ich glaubte nicht an einen Erfolg unserer Bemühungen. Den ganzen Winter hindurch würde ich mit einem Eimer zum Nachbarn gehen, um Wasser zu holen! Wir würden das teure Naß rationieren müssen. »Mit einem Eimer Wasser putzt sie das ganze Haus, und was davon noch übrig bleibt, da macht sie Kaffee draus!« All dies dachte ich nicht nur. Ich sprach es auch laut und klagend aus.
Unsere Küche wurde zum römischen Dampfbad. Der Herd glühte, die Wasserkessel zischten. Nur das Rohr bheb kalt. Aber lange hielt es der anstürmenden Hitze nicht mehr stand. Es tröpfelte aus dem Wasserhahn, dann lief ein dünnes Rinnsal und schheßlich rauschte ein sauberer Strahl in die Spüle. Wir fielen uns in die Arme. Das Wunder war geschehen. Wir hatten Wasser, und wir liebten uns wieder. Dies war der richtige Augenblick, ein Badefest zu feiern! Wir hatten es verdient und auch nötig.
Im allgemeinen pflegten wir samstags zu baden, wenn die Predigt fertig war und ein langer Abend vor uns lag, denn dies Vergnügen kostete viel Zeit und Mühe. Der große Zuber mußte aus der Waschküche nach oben in die Küche geschleift werden, denn unten war es zu ungemütlich. Heißes Wasser mußte bereitet, der Zuber gefüllt und hinterher wieder entleert, die Küche aufgewischt werden. All dies diente nicht dazu, unsere Badewilligkeit zu heben.
An diesem Montagmorgen aber waren wir freudig bei der Sache. Heißes Wasser sprudelte genug auf dem Herd, warm war es auch in der Küche. Der Zuber bot Raum für zwei Personen, wenn die Füße beider hinaushingen. Stand einer auf, um sich abzuseifen, dann konnte der andere mit einiger Geschicklichkeit fast alle Körperteile unter Wasser bringen. O, wie genossen wir die Stille nach dem Sturm, die traute Zweisamkeit im warmen Wasser!
Nun hatte Manfred aber bei all der Aufregung den allmontaglichen Besuch des Kirchenpflegers vergessen. Am Montagmorgen wurde das Opfer vom Sonntagsgottesdienst gezählt und auch das, was sich so in der Woche zusammengeläppert hatte.
Pünktlich um neun Uhr also stand der Kirchenpfleger vor der Haustür, bepackt mit Opferbüchsen und Kassenbüchern. Er stellte alles auf den Boden, um zu klingeln, sammelte dann seine Siebensachen wieder auf, stand da und wartete, daß ihm geöffnet werde. Aber kein Summer ertönte, die Türe ging nicht auf, so heftig er auch dagegen drückte.
Wir oben in der Küche hörten kein Klingeln. Wir hatten das Radio laut aufgedreht, gossen heißes Wasser nach, wuschen uns und waren sehr beschäftigt.
Mittlerweile hatte der Kirchenpfleger die Büchsen wieder in den Schnee gestellt, die Kassenbücher darauf gelegt, um ein zweites Mal zu klingeln. So stand er lange vor der Tür, fror, und dachte sich gleich, daß hier irgend etwas nicht stimmen könne. Er trat zurück. Aus dem Schornstein stiegen dicke Rauchwolken. Der Kirchenpfleger sah es mit Befremden. Er stieß das Hoftor auf und ging, Böses ahnend, um das Haus herum. Was mußte er erblicken? Das Küchenfenster stand einen Spalt auf, und durch diesen Spalt quoll Dampf. Dazu hörte er klagende Menschenstimmen und plätschernde Geräusche. Er hatte es geahnt — in Pfarrers Küche war Feuer ausgebrochen. Sie versuchten zu löschen und schrien dabei um Hilfe.
»Ich komme!« rief er, warf alle Opferbüchsen und Kassenbücher in den Schnee und hastete zur Hintertür, die noch vom Schneeholen offenstand.
Wir hatten das Fenster geöffnet, weil wir vor lauter Dampf nichts mehr sehen konnten, und weil uns sehr warm war. Im Schulfunk lief eine Sendung über den Ausbruch der Pest in Venedig.
Da wurde die Küchentür aufgerissen.
»Wo send er?« schrie jemand durch den Dampf. Manfred, der gerade aufrecht stand und sich abseifte, wurde von hinten gepackt und aus der Wanne gezerrt. Ich war so kunstvoll und tief in den Zuber gerutscht, daß man nur unwesentliches von mir sah. Außerdem trug der Kirchenpfleger zu Amtsgeschäften eine Brille, die sich dermaßen beschlagen hatte, daß er halbblind herumtappte. Er schnappte sich einen Eimer mit
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