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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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dem Altar Aufstellung nehmen, eine Kerze auf dem Krippenrand anzünden und dann still verharren. Das waren viele Aufgaben für die Zeitdauer von drei Versen »Stille Nacht«. Danach nämlich wich die Mauer der Engel zur Seite, um der Gemeinde das traute Bild zu enthüllen. In der Krippe, so hatte man mir gesagt, sollte die Streichholzschachtel liegen, mit der ich die Kerze anzünden konnte. Nun war der Junge, der den Josef spielen sollte, nicht gerade der klügste. Er hatte genug Mühe, einen langen Stab und eine Laterne ohne Unfall bis zum Altar zu bringen. Ich mußte die Krippe alleine schleppen. In großer Eile kroch ich von der Sakristei zum Altar und stieß dabei gegen den Taufstein. Die Krippe fiel um. Heu und Stroh, Kerze und Streichholzschachtel lagen auf dem Boden. Ich raffte zusammen, was ich ertasten konnte. Die Streichholzschachtel aber blieb verschwunden. Josef stand bereits auf seinem Platz und spähte ängstlich nach der Stelle, wo ich auf dem Boden herumkroch und nach den Streichhölzern suchte. Als die Mauer der Engel zur Seite wich, bot sich der Gemeinde ein ungewohntes Bild. Vor dem Altar stand Josef allein und hielt seinen Stab umklammert. Unterhalb der Altartreppen beim Taufstein aber kniete Maria, stopfte Heu und Stroh in die Krippe und sang dazu: »Schlaf wohl, du Himmelsknäblein du...«
    Bei der zweiten Strophe war Josef zu dem Entschluß gelangt, sich zu Weib und Kind zu begeben. Er kam die Stufen herunter, bückte sich nach der Streichholzschachtel und entzündete die Kerze. Dabei glitt ihm der Stab aus der Hand und schlug Maria auf den Kopf. Sie sang eisern ihr Lied zu Ende, bis die Mauer der Engel sich wieder schloß, dann brach sie in Tränen aus.
    Von da an spielten wir die Maria mit verteilten Rollen. Beate kniete vor der Krippe, sah schön aus und bewegte die Lippen. Ich hockte hinter dem Altar, war unsichtbar und sang. Eine Lösung, die uns beide nicht recht befriedigte, von der Gemeinde aber dankbar begrüßt wurde.
    Dieses Krippenspiel brachte ich auch in Weiden zur Aufführung. Unsere Kirche mit dem tiefen Chorraum und dem goldenen Hochaltar im Hintergrund eignete sich trefflich für solch ein Spectaculum. Die Gemeindeglieder waren tief beeindruckt. Es wäre das erhebendste Erlebnis gewesen seit der Einweihung des Schwimmbades, sagten sie.
    Im Mädchenkreis fand sich ein Mädchen namens Martha, welches hübsch aussah und einigermaßen singen konnte. Diese Martha wurde Maria. Als Josef erwählte ich ihr einen aufgeweckten Burschen aus dem Posaunenchor. Er spielte den Tiefbaß und erbot sich, »Schlaf wohl, du Himmelsknäblein du...« auf demselben zu begleiten. Der Gedanke war verlockend, aber wir konnten ihn nicht verwirklichen, weil Josef mit Stab und Laterne genug belastet war.
    Am liebsten hätte ich die Marienrolle übernommen, aber ich befand mich in anderen Umständen, Martha übrigens auch, doch war sie, ebenso wie Maria, noch Jungfrau.
    Es machte mir großen Spaß, Regie zu führen. Ich setzte ganze Menschenmassen in Bewegung, ließ Hirten von der Empore heruntertrampeln und Engelchöre aus jeder Kirchenecke singen. Die Zuschauer konnten gar nicht so schnell die Köpfe drehen, wie der Ort der Handlung wechselte. Auch trugen meine Engel bei der lebenden Mauer brennende Kerzen in den Händen, was überirdisch schön gewirkt haben soll.
    Ehe Brille hätte mich übrigens bei einer Mariendarstellung nicht mehr gestört, denn seit ein paar Wochen trug ich keine Brille mehr. Dies war keinem Wunder zuzuschreiben, sondern Kontaktschalen. Wir hörten nämlich, daß im Städtchen ein Mann wohne, der Kontaktschalen herstellte. Manfred kannte meine tiefe Abneigung gegen die Brille, und so kauften wir Kontaktschalen. Die erste Zeit war hart. Die Augen tränten, die Nase lief, das Gesicht war rot und verquollen.
    »I moin halt«, sagte die Mesnerin, »i moin halt, seit die Frau Pfarrer koi Brill mehr hat, muaß se immer heule!«
    Im Dorf verbreitete sich das Gerücht, Frau Pfarrer leide im Winter an Heuschnupfen.
    Aber nicht nur tagsüber machten die Kontaktschalen Schwierigkeiten. Abends mußten sie mit Hilfe eines kleinen Saugers aus den Augen gezogen und morgens wieder hinein fabriziert werden. Ich schaffte es nicht allein! Manfred half mir.
    »Augen auf« kommandierte er und näherte sich mit dem Sauger. Kaum sah ich das Ding, fiel das Auge auch schon zu. »Halt das Lid fest«, sagte er. Ich tat’s, aber kurz vor seinem Zugriff drehte ich den Kopf weg. »Reiß dich zusammen«,

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