Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
wollte.
»Ich habe Nachforschungen angestellt, so wie wir es besprochen haben, und habe ein paar Informationen, die dich, glaube ich, interessieren werden.«
Sjöberg hatte in dem allgemeinen Durcheinander, das auf Petra Westmans atemlose Bitte nach Verstärkung gefolgt war, ganz vergessen, dass er seine Schwägerin um Unterstützung gebeten hatte. Die Idee, sich ein Bild von den Stimmungen und sozialen Strukturen zu machen, die Ingrid Johanssons Vorschulklasse vor fast vierzig Jahren geprägt hatten, erschien ihm in diesem Augenblick eher unwichtig.
»Ja, genau«, sagte er höflich. »Wir haben inzwischen zwar einen Verdächtigen festgenommen, aber erzähl ruhig, was du herausgefunden hast. Ich werde ihn gleich vernehmen, sodass es nichts schaden kann, vorher noch etwas darüber zu erfahren.«
»Der Festgenommene heißt nicht zufällig Thomas Karlsson?«
Sjöberg war einen Moment sprachlos, aber dann sagte er:
»Auf die Frage kann ich nicht antworten.«
»Doch, das kannst du, sonst kann ich dir nämlich nicht erzählen, was ich herausgefunden habe. Und es wird dich interessieren. Außerdem willst du wissen, warum ich seinen Namen schon kannte, oder?«
»Okay, okay«, seufzte Sjöberg. »Erzähl schon.«
»Ich habe mich mit einem alten Schulfreund aus Katrineholm unterhalten, der sozusagen ein Experte in Kindheitserinnerungen ist, weil er nämlich ein so gutes Gedächtnis hat. Er ist genauso alt wie ich, und es stellte sich heraus, dass sein kleiner Bruder, Staffan Eklund, in genau diese Vorschulklasse gegangen ist. Sowohl mein Freund als auch seine Mutter konnten sich an viele Dinge aus dieser Zeit erinnern. Der kleine Bruder dagegen kann sich an nichts erinnern. Die Polizei hat ihn bereits befragt, aber er hat diesbezüglich einen totalen Blackout.«
»Jetzt komm schon zur Sache«, sagte Sjöberg ungeduldig.
»Okay, dann pass gut auf. Zu jener Zeit haben sie in einer ziemlich schlechten Gegend gewohnt. Sie bauten gerade ein Haus und wollten wegziehen, sobald es fertig gestellt war, aber bis dahin sollte Staffan in der Vorschule bleiben. Dort gab es offensichtlich einen ganzen Haufen wüster Lausejungs, und seine Mama war alles andere als glücklich über seine Schulkameraden. Sie prügelten sich und spielten böse Streiche, und es gab zwei Kinder, die sich als besonders schlimm herausstellten. Rate mal, wie sie hießen?«
»Nein, lass hören.«
»Hans und Ann-Kristin.«
»Das ist ja ein Ding …«
»Hans und Ann-Kristin hatten die Klasse vollständig im Griff und hetzten die anderen Kinder gegen zwei arme Würstchen auf, die sie als Prügelknaben auserkoren hatten. Einer davon war Thomas Karlsson. Das andere Kind war ein Mädchen. Beide bezogen täglich ihre Tracht Prügel. Die ganze Klasse machte mit, auch Staffan, zur großen Verzweiflung seiner Mutter. Er tat, was von ihm erwartet wurde, und konnte unter dem großen Gruppendruck wohl nicht mehr erkennen, was gut oder böse war. Sie haben furchtbare Sachen mit diesen Kindern angestellt, eine schlimmer als die andere. Abgesehen davon, dass sie sie ständig grün und blau prügelten, haben sie versucht, eines von ihnen zu ertränken, sie schnitten ihnen die Haare ab, zerrissen ihre Kleider, eines von ihnen haben sie auf die Straße vor ein Auto gelegt, und es gab ausgeschlagene Zähne und so schwere körperliche und seelische Misshandlungen, wie man es sich kaum ausmalen kann. Kannst du dir das vorstellen? Sie waren nicht älter als sechs!«
»Was für ein Mensch wird man, wenn man einer solchen Behandlung ausgesetzt war?«, fragte Sjöberg nachdenklich.
»In einer Kleinstadt wie Katrineholm kommt noch dazu, dass man so einen Stempel nie wieder abwaschen kann, wenn man ihn einmal aufgedrückt bekommen hat«, fuhr Mia fort. »Ich kann mir vorstellen, dass das Mobbing nicht einfach so aufhört, sondern während der ganzen Schulzeit weitergeht und vermutlich in irgendeiner Form so lange anhält, bis man wegzieht. Vielleicht waren es diese Kinder, die damit angefangen haben, aber andere haben die Tradition übernommen und weitergemacht.«
»Und Carina Ahonen, wie passt sie ins Bild?«
»Sie scheint diejenige gewesen zu sein, die im Hintergrund die Strippen zog. Ein zuckersüßes, schnippisches Püppchen, das sich niemals selbst die Hände schmutzig machte, sondern den seelischen Terror organisierte. Sie allein entschied, wer gut war und wer schlecht, was richtig war und was verkehrt. Alle, die Erwachsenen wie auch die Kinder, verehrten sie, aber in
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