Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
irgendeiner Form bedrohlich gewirkt?«, wollte Sjöberg wissen. »Wäre er zu einem Mord in der Lage?«
»Er wirkte absolut nicht bedrohlich«, antwortete Hamad. »Ganz im Gegenteil, er schien eher Angst um sein Leben zu haben. Ob er imstande wäre zu morden? Was weiß ich, wie es in seinem Kopf aussieht. Angst kann auch ein Grund sein, Leute umzubringen.«
»Okay, jedenfalls scheint er bis jetzt unser heißester Kandidat zu sein. Jetzt warten wir noch auf Hanssons Analyse der Finger- und Schuhabdrücke. Wir setzen die Jagd auf die restlichen Personen fort. Sigtuna nimmt den Kontakt zu Oslo, Göteborg und Lund auf. Damit schließen wir die Sitzung. Vielen Dank.«
Sjöberg beendete die Konferenzschaltung, und Hansson sammelte die Proben und Fingerabdrücke ein, die die anwesenden Polizisten mitgebracht hatten. Sie gingen zusammen mit Karlssons Schuhabdruck ins Labor. Die übrigen Polizisten blieben zusammen mit Staatsanwalt Rosén noch eine Weile im Besprechungsraum sitzen.
»Ein paar Stunden wird es wohl dauern, bis Bella mit den ersten Ergebnissen aus dem Labor von sich hören lässt«, begann Sjöberg. »Ich schlage vor, dass Eriksson alle Personen von der Liste mit dem Kriminalregister und anderen Datenbanken abgleicht. Mal sehen, was du über sie herausfinden kannst. Westman macht noch einen Besuch bei Ingrid Johansson. Jetzt, wo wir alle Namen haben, können wir damit vielleicht ein paar verschüttete Erinnerungen freilegen. Geh jede einzelne Person mit ihr durch, und versuch, sie dazu zu bringen, sich an irgendetwas aus diesem Schuljahr zu erinnern. Hamad und Sandén versuchen, die letzte fehlende Person zu finden, Katarina Hallenius in Sundbyberg.«
»Dieser Thomas Karlsson«, sagte Rosén, »sollten wir nicht ein paar Mann abstellen und ihn observieren lassen?«
»Ich glaube, dass es dafür im Augenblick noch zu früh ist«, antwortete Sjöberg. »Wir warten auf die Ergebnisse aus dem Labor und entscheiden anschließend darüber. Wir wissen ja noch gar nichts über ihn. Vielleicht ist er einfach nur schüchtern und unsicher.«
Rosén war einverstanden. Er nahm sich viel Zeit, seine Papiere zusammenzusuchen. Als er schließlich fertig war und aufblickte, stand Petra Westman vor ihm. Schweigend betrachtete er sie ein paar Sekunden, dann sagte er mit ausdruckloser Miene:
»Das hier ist wichtiger. Tu, was Sjöberg gesagt hat. Um 17 Uhr treffen wir uns in meinem Büro.«
*
Als er am nächsten Morgen aufwachte, wusste er zuerst gar nicht, wo er sich befand. Im Traum war er auf einen langen Steg hinausgegangen. Unter dem Steg war vermutlich Wasser, aber man konnte es nicht sehen, weil sich dichter Nebel darüber ausbreitete und wie große Rauchwolken um ihn herum nach oben stieg. Es dämmerte, und es war kalt. Er trug eine rot karierte Steppjacke, Skihosen und ein Paar grobschlächtige schwarze Skischuhe mit blauen Senkeln. Mit jedem Atemzug stieg Rauch aus seiner Nase. Hinter sich hörte er die Stimmen der Kinder. In dem Nebel konnten sie ihn nicht sehen, aber sie wussten, dass er hier draußen war, denn die Stimmen kamen näher. Es war nicht auszumachen, wo der Steg endete, er ging und ging und schien das Ende nicht erreichen zu können. Plötzlich hatte er keinen Boden mehr unter den Füßen und stürzte mit fuchtelnden Armen hinab in das kalte, feuchte Nichts. Er schlug die Augen auf und stellte zu seinem Erstaunen fest, dass um ihn herum alles hell war. Er blieb eine Weile still liegen und wartete darauf, dass die Wirklichkeit zu ihm vordringen würde. Der Traum entließ ihn langsam aus seinen Fängen, und er entdeckte, dass er vollständig angezogen auf seinem Bett lag. Die Lampen im Zimmer waren an, und die Rollos waren nicht heruntergezogen. Er rührte sich nicht, schaute nicht einmal auf die Uhr, sondern lag einfach nur ganz entspannt da und horchte lange in sich hinein.
Am Ende gewann der Hunger die Oberhand. Sein Magen verlangte nach einem Frühstück, und er reckte sich und setzte sich auf die Bettkante. Er schaute aus dem Fenster und sah, dass es draußen bereits hell war. Das bedeutete, dass er zu spät zur Arbeit kommen würde. Aber das spielte keine Rolle, da er ohnehin nicht dorthin wollte. Heute würde er eine Frau besuchen, die er seit langer, langer Zeit nicht mehr gesehen hatte, und als er daran dachte, spürte er ein Ziehen im Bauch wie bei einer Achterbahnfahrt.
*
Mit zögerlichen Schritten ging sie den nassen Bürgersteig entlang, als würde sie auf etwas warten oder bei jedem
Weitere Kostenlose Bücher