Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
wenn sie …«
»Wenn Kinder was!?«, brüllte ich und hörte, wie sich meine Stimme überschlug.
Obwohl ich eigentlich nur die Absicht gehabt hatte, ihn zur Rede zu stellen und ihm bestenfalls eine Entschuldigung abzuringen, und obwohl ich nicht im Geringsten zur Gewalt neige, packte mich die Wut. In blinder Raserei über die Gleichgültigkeit des Tyrannen gegenüber seinen Taten und darüber, dass meine hohe, kreischende Stimme meine Schwäche entblößt hatte, richtete ich einen Tritt gegen sein hübsches Gesicht. Der Tritt traf ihn unter dem Kinn, und man konnte hören, wie seine Kiefer mit einem hässlichen, stummen Knall aufeinanderschlugen, während der Kopf nach hinten schnellte und der Stuhl umkippte. Ohne nachzudenken, packte ich den nächstbesten Stuhl an der Rückenlehne, hob ihn über meinen Kopf und schlug zu. Eines der Stuhlbeine streifte seine Stirn und setzte seinen unbarmherzigen Kurs am Auge vorbei zum Jochbein fort, das den Schlag mit einem unangenehm krachenden Geräusch auffing. Noch ein Schlag mit dem Stuhl, dieses Mal besser durchdacht, sodass eines der Stuhlbeine seinen Brustkorb traf, während das andere treffsicher auf der Nasenwurzel landete und das Nasenbein mit einem leichten Knacken brach. Am Ende – und das habe ich von dir gelernt, Hans – ein gut gezielter Tritt gegen die Nase, die sich ohne besonderen Widerstand in das Innere des Menschen hineindrücken ließ.
Ein wenig Blut sickerte aus den Nasenlöchern des bewusstlosen Mannes auf den Küchenboden, und in der Stille konnte ich meinen eigenen Puls in den Ohren dröhnen hören. Meine Wut war plötzlich verschwunden, und die Gedanken in meinem Kopf kreisten hauptsächlich um die Frage, warum alles so schnell gegangen war. In meinem neu gewonnenen Wahnsinn bereute ich nicht, dass ich einen Menschen getötet hatte, sondern nur, dass ich ihn nicht länger hatte leiden lassen. Ich hätte ihm von allen anderen Kränkungen erzählen sollen, die er mir zugefügt hatte, ich hätte ihn für seine Taten zur Rechenschaft ziehen und ihn dazu zwingen sollen, auf bloßen Knien um Verzeihung zu bitten. Und vor allem: Ich hätte ihn einen langen und schmerzhaften Tod sterben lassen sollen.
Jetzt sitze ich hier – mit einem Mord auf dem Gewissen – und betrachte eine alte Schwarz-Weiß-Fotografie aus einer schwarzen Zeit. Die Kinder betrachten mich mit ihrem zahnlosen Lächeln. Die Vorschullehrerin steht ganz hinten rechts – mit Carina Ahonen neben sich – in ihrem geblümten Kleid im Putzkittelstil und mit einem gewaltigen Dutt auf dem Kopf. Sie schaut mit Leichenbittermiene in die Kamera, wie um zu zeigen, dass sie ihre Arbeit als Vorschullehrerin überaus ernst nimmt. Ganz vorne in der Mitte kniet Hans und grinst. Wer zuletzt lacht, lacht am besten …
Ich wünsche Landrat Meijer viel Glück bei seinem optimistischen Wirken unter Katrineholms unerträglichen Blagen, und das meine ich ernst. Ich glaube, dass er dabei ein wenig Hilfe gut gebrauchen kann.
Jetzt fühle ich mich schon sehr viel besser.
MITTWOCHVORMITTAG
Nach ein paar Stunden unruhigen Schlafs war Conny Sjöberg aufgestanden. Jetzt saß er am Tisch und blätterte in der Zeitung, ohne zu verstehen, was er gerade las. In Gedanken suchte er nach den Worten, die er der jungen Witwe sagen wollte, und er hatte einen Kloß im Hals, den er nicht loswerden konnte. Er dachte, dass er nie wieder glücklich werden könnte, wenn Åsa sterben würde. Wegen der Kinder würde er weiterleben müssen, aber sein Leben wäre sinnlos und leer. Tränen traten ihm in die Augen, und er fragte sich, ob er überhaupt ein Wort herausbringen könnte, wenn er Frau Vannerberg von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Hör auf, sagte er zu sich selbst, hör auf mit diesen Gedanken, und konzentrier dich auf das, was du sagen wirst.
Plötzlich stand Åsa in der Tür. Sie hatte sich leise aus dem Bett geschlichen, um die Zwillinge nicht aufzuwecken, und jetzt stand sie dort und beobachtete ihn. Sie weinte bei denselben Filmen wie er, sie musste nur hören, an welcher Stelle eines fesselnden Buches er sich gerade befand, damit auch ihre Augen feucht wurden. Sie wusste, wie er sich in diesem Augenblick fühlte und was er gerade dachte. Sie kam zu ihm herüber und umarmte ihn lange, während die Tränen aus seinen Augen traten, die Wangen hinunterkullerten und den Ärmel ihres Morgenrocks tränkten.
Er aß sein Käsebrot zu Ende, putzte sich die Zähne, zog sich an und verließ das Haus. Draußen
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