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Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Titel: Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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ihnen vermisst gemeldet worden.«
    Er bekam ihre Namen und rief die Stadtteilwache an, bei der sie Dienst taten. Er hatte Glück, denn einer von ihnen war noch da, um seinem Bericht den letzten Schliff zu geben. Sjöberg stellte seine Frage.
    »Ja, seine Frau war heute Nachmittag hier und hat ihn als vermisst gemeldet. Sie hat ihn seit gestern Abend nicht mehr gesehen. Aber wir konnten in dem Fall nichts mehr unternehmen, weil es schon fünf war, als sie kam.«
    »Warum habt ihr uns nichts davon gesagt, dass ihr einen Vermissten habt, der auf die Beschreibung des Toten passt?«
    »Daran haben wir gar nicht gedacht. An ihm schien irgendwie nichts faul zu sein.«
    »Wen meinst du damit?«, fragte Sjöberg irritiert.
    »Den Mann, der verschwunden ist, natürlich. Er wirkte vollkommen normal, an ihm war irgendwie nichts faul. An der Frau auch nicht.«
    »Aber an der Leiche war etwas faul, denkst du?«, fauchte Sjöberg.
    »Ja, da muss doch was faul sein, wenn man so ermordet wird, in dem Haus von dieser Alten, und so …«
    Sjöberg resignierte und bat den Kollegen, ihm sofort die Vermisstenanzeige rüberzufaxen. Er bedankte sich für die Hilfe, legte den Hörer auf und ging in den Kopierraum, wo er sich neben das Faxgerät stellte und wartete. Endlich kam das Fax. Das Geburtsdatum stimmte, Frau und drei Kinder. Er arbeitete als Makler und hatte laut seiner Frau gestern Abend um sechs Uhr das Haus verlassen, um einen Hausbesuch bei einem Verkäufer in der Nachbarschaft zu machen. Er hatte gesagt, dass er zu Fuß dorthin gehen und in etwa einer Stunde wieder da sein würde, aber er war nicht mehr nach Hause gekommen.

    Sjöberg schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es bereits nach Mitternacht war. Er überlegte, ob er die Familie jetzt gleich besuchen sollte, die Frau war bestimmt schon ganz außer sich vor Sorge, aber er entschied sich dafür, bis zum nächsten Morgen zu warten. Wenn die Familie schlief, wollte er diesen Schlaf nicht unterbrechen. Er selbst konnte ebenfalls ein paar Stunden Schlaf gebrauchen, bevor er diesen schweren Gang unternehmen würde.
    *
    Er steht auf einem taufeuchten Rasen und schaut auf seine nackten Füße hinunter. Er schaut nach unten, obwohl er eigentlich hinaufschauen sollte, aber irgendetwas hält ihn davon ab. Sein Kopf fühlt sich so schwer an, dass er ihn kaum heben kann. Er nimmt all seinen Mut und all seine Kraft zusammen, um sein Gesicht nach oben zu wenden, aber noch wagt er es nicht, die Augen zu öffnen. Lässt den Hinterkopf eine Weile auf dem weichen Nacken ruhen. Schließlich schlägt er die Augen auf.
    Dort steht sie wieder im Fenster, die schöne Frau mit dem leuchtend roten Haar, das wie eine Sonne um ihren Kopf strahlt. Sie tanzt ein paar Schritte, und sie begegnet seinem Blick mit einem verwunderten Ausdruck. Er streckt ihr die Arme entgegen, wobei er das Gleichgewicht verliert und kopfüber nach hinten stürzt.
    Ruckartig setzte sich Conny Sjöberg in seinem Bett auf. Er drückte die Handflächen kräftig gegen seine Augen und spürte, wie er am ganzen Körper zitterte. Sein Körper bebte, aber er weinte nicht; er atmete kurz und flach durch die Nase, ohne dabei einen Laut von sich zu geben. Seinen Mund konnte er kaum öffnen, so trocken war er, und er fror. Mit den Händen vor dem Gesicht schaukelte er vor und zurück, bevor er sich zusammennahm und ins Badezimmer hinüberging.
    Schon wieder dieser Traum, dieser ständig wiederkehrende Traum. Er stürzte zwei Gläser Wasser hinunter, bevor er in den Spiegel zu schauen wagte. Sein Körper zitterte immer noch, aber sein Atem begann, sich allmählich zu beruhigen. Derselbe sinnlose Traum, immer wieder. Er verstand nicht, warum er ihn dermaßen aufwühlte.
    Und dieses Mal hatte die Frau auch noch ein bekanntes Gesicht bekommen.

TAGEBUCH, NOVEMBER 2006, DIENSTAG
    Noch nie habe ich mich so aufgeräumt gefühlt, so voller Energie und Lebenslust, wie heute, an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal einen Mord begangen habe. Ich weiß, dass es sich absurd anhört, wie eine Zeile aus einer Komödie, aber es ist überhaupt nicht zum Lachen, sondern im Grunde zutiefst tragisch. Tragisch ist mein ganzes armseliges Leben, geprägt von Einsamkeit und Demütigung, und tragisch war auch meine erbärmliche Kindheit voller Gewalt, Ächtung und Terror. Diese Kinder haben mir alles genommen: mein Selbstvertrauen, meine Lebensfreude, meine Zukunftsträume und meine Selbstachtung. Sie haben mir auch etwas anderes genommen, etwas, das alle

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