Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
Sören hatte zusammen mit seinen gleichaltrigen Kameraden aus der Fußballmannschaft ein Trainingslager in Finnland besucht. Auf der Heimfahrt mit der Finnlandfähre hatten sie anscheinend ordentlich getrunken, und viele der Jungen waren stark alkoholisiert. Einer von ihnen – der als Lasse, die Petze, bekannt war – hatte sich dermaßen volllaufen lassen, dass er sich von dem Prügelknaben Sören in die Herrentoilette locken ließ. Dort hatte Sören dem armen, betrunkenen Lasse einen vollendeten Blowjob verpasst, woraufhin der ach so empörte Lasse aus der Herrentoilette marschiert war und all seinen Mannschaftskameraden von diesem haarsträubenden Erlebnis berichtet hatte. Diese reagierten zutiefst bestürzt, der Trainer nicht minder. Und so wurde Sören – ohne selbst je dazu gehört worden zu sein – »mit Rücksicht auf das Wohl der Jungen« aus der Mannschaft ausgeschlossen. Lasse – der natürlich nicht die leiseste Spur von Homosexualität in sich trug – hatte seine Ehre gerettet und wurde als Held bejubelt.
Thomas musste lächeln, als er sich an diese absurde Begebenheit erinnerte, während er sich die letzte Scheibe Blutwurst in den Mund schob und mit einem halben Glas Milch hinunterspülte. Er griff nach der Abendzeitung, die immer noch ungelesen auf dem Küchentisch lag, und schlug den Nachrichtenteil auf.
Lise-Lotts Blick begegnete ihm, und für einen kurzen Augenblick dachte er, dass sie ihn zum allerersten Mal freundlich anlächelte. Dann holte ihn die Wirklichkeit ein, und sein Herz begann, schneller zu schlagen. Plötzlich hatte er schrecklichen Durst. Doch er konnte sich nicht aufraffen, sich etwas zu trinken zu holen. Zweimal las er den Artikel, dann zog er mit einer heftigen Bewegung den Stapel alter Zeitungen aus den letzten Wochen zu sich herüber, der immer noch auf dem Tisch lag. Etwas weiter unten im Stapel fand er die Sonntagszeitung und blätterte sie durch, bis er auf die kurze Notiz über die Prostituierte in Skärholmen stieß. Nachdem er sie ebenfalls mehrere Male durchgelesen hatte, blieb er mit geradem Rücken und auf den Knien gefalteten Händen sitzen und starrte ins Leere.
»Was habe ich getan?«, flüsterte er vor sich hin. »Was soll ich nur tun?«
DONNERSTAGVORMITTAG
Am Donnerstag traf sich die Ermittlungsgruppe zu einer weiteren Lagebesprechung. Hadar Rosén hatte ausrichten lassen, dass er nicht teilnehmen würde, aber ansonsten waren bis auf Westman alle zugegen. Sjöberg zeigte eine gewisse Nachsicht, was Westmans Unfähigkeit betraf, sich an feste Uhrzeiten zu halten, da ihre anderen Qualitäten so zahlreich waren. Obwohl sie erst achtundzwanzig Jahre alt war, hatte sie keine Probleme damit, ältere Kollegen zu führen. Die männlich dominierte Arbeitsumgebung schien sie nicht anzufechten, sie zeigte Eigeninitiative und hatte Energie für zwei. Und wer wusste besser als er, wie oft sie bis spät abends arbeitete.
Fünf Kaffeebecher standen auf dem Konferenztisch bereit, als würden sie auf das Kommando warten, ausgetrunken zu werden. Einar Eriksson warf immer wieder irritierte Blicke auf seine Armbanduhr und anschließend zur Tür hinüber. Sandén kippelte auf seinem Stuhl, während er zerstreut mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte und seine Augen auf einem eingerahmten Plakat an der Wand verweilen ließ, das ein Mädchen auf einer Schaukel zeigte. Als die Tür aufgerissen wurde und Westman hereinstürmte, rotwangig, kurzatmig und mit einem Becher Tee in der Hand, bedachte er sie mit einem sarkastischen Lächeln, woraufhin sie unbeschwert zurückgrinste, einen Stuhl unter dem Tisch hervorzog und sich setzte. Eriksson seufzte hörbar.
»Also dann«, sagte Sjöberg. »Gibt es jemanden, der etwas Neues zu berichten hat?«
Rund um den Tisch wurden die Köpfe geschüttelt, nur Hamad ergriff das Wort.
»Ich habe den ›verdächtigen Klopapierverkäufer‹ identifiziert, und er ist leider alles andere als verdächtig. Ich habe bei einigen Tennisclubs in der Gegend angerufen und schließlich den richtigen erwischt. Der Mann ist achtzehn Jahre alt, heißt Joakim Levander und spielt für den Enskede Tennisclub. Er ist tatsächlich eine Zeit lang in dem Wohngebiet umhergezogen und hat versucht, Toilettenpapier zu verkaufen, das mit dem Emblem seines Vereins bedruckt war. Ohne größeren Erfolg – offensichtlich funktioniert es besser, wenn er es über das Telefon verkauft. Das Verdächtige an ihm war vermutlich ein kleines Ziegenbärtchen und ein Ring im
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