Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
die letzten Tropfen aus seinem Kaffeebecher. »Dann gebt mal Vollgas.«
»Immer langsam mit den jungen Pferden«, sagte Sandén. »Was ist eigentlich mit der Weihnachtsfeier am Sonnabend?«
»Stimmt«, sagte Sjöberg und wandte sich an Hamad. »Das hätte ich ja fast vergessen. Hast du etwas reserviert?«
»In der Tat, auf vielfältigen Wunsch gibt es eine alternative Weihnachtsfeier. Um 19 Uhr im Café Beirut in der Engelbrektsgatan.«
»Café Beirut«, sagte Sandén. »Was gibt es denn da? Eisbomben und Granatäpfel? Klingt ja wie ein echter Knaller.«
Westman schielte verstohlen zu Hamad hinüber. Wie immer lachten alle über Sandéns Scherze, auch Hamad.
»Das ist ein echter Knaller«, sagte Westman. »Ich liebe libanesisches Essen.«
»Ja, diese Araber«, seufzte Sandén. »Sie tun einfach alles, um keinen Weihnachtsschinken essen zu müssen. Stattdessen gibt es Widderhoden.«
*
Der Übergriff, dem Petra Westman am Wochenende ausgesetzt gewesen war, war inzwischen zu einer Geschichte reduziert worden. Sie hatte diese Geschichte bislang zwar nur einer einzigen Person erzählt, aber in ihrem Kopf war sie den gesamten Verlauf immer und immer wieder durchgegangen. Das Einzige, was sie angesichts der ganzen Angelegenheit empfand, war Scham. Die Scham darüber, in einem Bett in einem fremden Haus aufgewacht zu sein, ohne zu wissen, mit wem sie die Nacht verbracht hatte. Seltsamerweise fühlte sie sich nicht misshandelt, was sie darauf zurückführte, dass sie keine Erinnerungen an das Geschehen hatte, aber dieses Gefühl der Scham wollte sie unbedingt loswerden. Um jeden Preis.
Solange sie sich mit anderen Dingen beschäftigte, war es kein Problem, aber sobald sie schlafen wollte, wälzte sie sich stundenlang herum, und die peinlichen Erinnerungsbilder lösten einander in ihrem Kopf ab. Nackt und benebelt zwischen ägyptischen Laken oder vor dem Badezimmerspiegel in der Luxusvilla in Mälarhöjden. Oder in ihren neuen Stiefeln aus der Clarion-Bar herausstolpernd.
Außerdem konnte sie ihre Zweifel nicht abschütteln. War sie wirklich vergewaltigt worden? Nicht nach landläufigem Verständnis. Wenn sie überfallen und vergewaltigt worden wäre, hätte sie dieser Zweifel nie beschlichen. Vielleicht hätte es tiefere Spuren hinterlassen, sie hätte Verletzungen oder Krankheiten oder Gott weiß was bekommen, aber diese Zweifel hätte es nicht gegeben. Und diese verdammte Scham.
Und deshalb würde sie dieses Projekt durchziehen. Sie war fest entschlossen, diesen aalglatten Oberarzt hinter Schloss und Riegel zu bringen. Mitsamt seinem gewinnenden Lächeln und seinen verdammten Lachfalten. Und irgendetwas sagte ihr, dass Mona Friberg auch nichts dagegen haben würde.
Mit den Informationen über Peder Fryhks kriegerische Interessen im Hinterkopf hatte Petra Westman am Mittwoch Kontakt mit dem Militär aufgenommen. Nach etlichen Telefongesprächen war sie schließlich bei einem mittlerweile sechzigjährigen Major gelandet, der während Peder Fryhks letzter Dienstmonate bei den Küstenjägern dessen Vorgesetzter gewesen war. Er erinnerte sich, dass Peder Fryhk ein einsamer Wolf gewesen war, und gab ihr einen Hinweis auf einen ehemaligen Fremdenlegionär ungarischer Abstammung, den seine Einheit angeheuert hatte, um die Küstenjäger im Nahkampf auszubilden. Für diesen Andras Takacs habe sich Peder Fryhk deutlich mehr interessiert als seine wehrpflichtigen Kameraden, und der Major war sich sicher, dass sie während der Ausbildung näher in Kontakt gekommen waren.
Petra hatte sofort das Gefühl, etwas Interessantem auf die Spur gekommen zu sein, und fand es einen Versuch wert, Kontakt zu diesem Takacs aufzunehmen. Es war nicht schwer, ihn ausfindig zu machen. Mit Hilfe einer Google-Suche war sie auf einen Karateclub im Stadtteil Norrmalm gestoßen, für den er mittlerweile tätig war. Als sie dort anrief, sagte man ihr allerdings, dass er zurzeit verreist und erst am Donnerstag wieder zu erreichen sei.
Als Petra schließlich Kontakt zu dem schwedischen Karatemeister mit dem ungarischen Namen herstellen konnte, war sie überrascht, dass er mit einem französischen Akzent sprach. Sie fragte sich, wie lange er wohl in der Fremdenlegion gewesen war, sprach ihn aber nicht darauf an.
»Ich bin auf der Suche nach Informationen über einen Mann namens Peder Fryhk, der seinen Wehrdienst bei den Küstenjägern auf Rindö geleistet hat. Im Frühjahr 1973, als Sie die Küstenjäger im Nahkampf ausgebildet haben, sollen Sie
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