Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
und das Leben auf dem Lande war einsam und langweilig. Sie hatte sich an ein Leben mit großartigen Festen und einem großen Bekanntenkreis gewöhnt und hockte jetzt, fast fünfzehn Jahre später, einsam und kinderlos auf einem Gutshof. Und das fühlte sich für sie immer noch fremd an. Jonas war selten zu Hause, was die Chancen auf ein Anwachsen der Familie natürlich nicht verbesserte.
Trotz der Enttäuschung über diesen schlagartigen und unerwarteten Umbruch in ihrem Leben hatte sie ihre gute Laune nicht verloren. Ihr Körper war immer noch der einer Zwanzigjährigen – was vielleicht ihrer Kinderlosigkeit zu verdanken war. Ihr blondes, naturgelocktes Haar hatte seinen frischen Schimmer behalten, und die Falten hatten bislang davon abgesehen, ihr Gesicht heimzusuchen. Außerdem wusste sie, dass ihr Mann sie immer noch anbetete, wenngleich ihre eigenen Gefühle bedeutend an Stärke verloren hatten. Sie konnte ihn jederzeit verlassen, und vielleicht würde sie es eines Tages auch tun.
Katrina and the Waves dröhnten im Wohnzimmer aus dem CD -Spieler, und Carina wurde von einem kleinen Glücksrausch erfasst. Der Song erweckte viele sonnige Erinnerungen wieder zum Leben, und sie konnte einfach nicht stillsitzen, wenn sie ihn hörte. Sie leerte das Glas Wein in einem Zug und schenkte nach, während sie den Refrain mitsang:
»I’m walking on sunshine, oh, oh, and it makes me feel good …«
Sie stand auf und tanzte zum Herd hinüber, zog ein paar Topfhandschuhe über und öffnete die Klappe, um den Elchbraten herauszuholen. Heißer Dampf quoll ihr aus dem Ofen entgegen, sie kniff die Augen zusammen und drehte ihr Gesicht zur Seite. Sie packte die Form fest mit beiden Händen und hob das aromatisch duftende Bratenstück auf die Spüle, füllte ein kleines, rostfreies Dezilitermaß mit Jus und übergoss den Braten einige Male, bevor sie ihn zurück in den Ofen schob.
Der Wein stieg ihr in den Kopf, und ihre Wangen fühlten sich warm und rosig an. Sie ging zum Küchenfenster hinüber und schaute durch den strömenden Regen in die Dunkelheit hinaus, auf die Pferdekoppel und weiter zur erleuchteten Landstraße, wo sie nach dem Bus suchte, der ihr Jonas zurückbringen würde. Er hatte nicht angerufen, wahrscheinlich war das Flugzeug also mit Verspätung gelandet. Aber manchmal rief er auch nicht an, um sie zu überraschen. Nachdem sie ein paar Minuten lang Ausschau gehalten hatte, sah sie, wie der Bus kam, einen Augenblick hielt, weiterfuhr und hinter der Kurve verschwand. Im Lichtkegel der schwachen Straßenbeleuchtung an der Bushaltestelle sah sie einen einsamen Menschen näher kommen, in ihre Zufahrt einbiegen und im Schatten der Bäume verschwinden. Froh darüber, dass die Einsamkeit der vergangenen Woche endlich vorüber war, ging sie zum Herd und setzte die Kartoffeln auf, bevor sie an den Tisch zurückkehrte, einen Schluck Wein trank und ihre vergeblichen Versuche wieder aufnahm, dieses unmögliche Kreuzworträtsel zu lösen.
TAGEBUCH, NOVEMBER 2006, FREITAG
Der Bus hielt an und ließ mich im Regen auf einer einsamen Landstraße mitten in der Ebene von Uppland zurück. Ich habe Uppland noch nie gemocht, obwohl ich mir als Kind immer gewünscht habe, dort zu wohnen. Ich stellte mir vor, dass die großen Städte dieser Landschaft trotz ihrer ungastlichen Umgebung eine schräge und eigenartige Natur wie mich willkommen heißen würden, im Gegensatz zum hügeligen, einladenden Södermanland mit seinen kleinen, standardisierten Industriestädten und ihren beschränkten, austauschbaren Bewohnern. Ich überquerte die Straße und betrat den schmalen Schotterweg, der zum Hof führte. Die Novemberdunkelheit umschloss mich mit einer kalten, klammen Umarmung, und ich wusste, dass ich von den erleuchteten Fenstern im Hauptgebäude aus nicht zu sehen war. Der Wind pfiff durch die Baumkronen, aber mittlerweile kann mich nichts mehr erschrecken. Man muss jetzt vor mir Angst haben. Mit unerschütterlicher Ruhe ging ich weiter, vorbei an ein paar Koppeln und einem kleinen Waldstück.
Aus den Stallgebäuden drang gedämpftes Licht, aber es waren keine menschlichen Geräusche zu hören. Irgendwo in der Nähe bellten ein paar Hunde, aber das focht mich nicht an. Ich schlich eine Runde um das Wohnhaus und schaute durch die hübschen Sprossenfenster in große, gepflegte Räume hinein, die von warmen Farben und hölzernen Möbeln und Paneelen geprägt waren. Das Obergeschoss lag im Dunkeln, und im Erdgeschoss saß eine einsame
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