Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
Frau in einer großen, modernen Küche im Landhausstil und löste ein Kreuzworträtsel. Auf dem Herd stand ein kochender Topf, und der Wein war bereits geöffnet. Ein Duft von Fleisch und Gewürzen fand seinen Weg in die herbstliche Kälte vor dem Küchenfenster, und plötzlich verspürte ich Hunger.
Vorsichtig drückte ich auf die Türklinke und stellte fest, dass abgeschlossen war. Also musste ich klingeln. Nach wenigen Sekunden wurde die Tür geöffnet, und Carina Ahonen betrachtete mich aus verdutzten blauen Augen. Ich kann nicht behaupten, dass ich sehr überrascht war, denn schon als Kind hatte sie ausgesprochen süß ausgesehen. Sie sah bedeutend jünger aus als vierundvierzig. Was mich überraschte, war, dass die Grazie, die ihr das hübsche Gesicht, das wallende blonde Haar, die perfekte Figur und die stolze Haltung verliehen, augenblicklich erlosch, als sie zu sprechen begann. Obwohl oder gerade weil der breite södermanländische Dialekt einer Art Hochschwedisch gewichen war, das mit dem gestelzten I der reichen Stockholmer Vororte gewürzt war, machte sie einen dümmlich Eindruck. Ihre Art zu sprechen zeugte zwar von Selbstzufriedenheit und Arroganz, aber ihr Blick wurde unsicher. So machte es allein schon ihre Erscheinung spielend leicht für mich, und nach ein paar gemeinsamen Minuten hatte ich alle Werkzeuge beisammen, die ich für meinen vierten Mord brauchte: leidenschaftlichen Hass und ein großes Tranchiermesser.
»Wer bist du?«, fragte Carina Ahonen, nachdem sie für einige Sekunden meine zweifellos wenig modische, in jedem Fall aber durchnässte Erscheinung studiert hatte.
»Komme ich ungelegen? Seid ihr gerade beim Essen?«, fragte ich.
»Tja, ich warte darauf, dass mein Mann nach Hause kommt. Warst du das, der mit dem Bus gekommen ist?«
»Ja, in der Tat«, antwortete ich wahrheitsgemäß, »aber außer mir ist niemand hier ausgestiegen. Falls es das ist, was du wissen wolltest.«
»Ach«, seufzte sie, und die Enttäuschung war ihr anzumerken. Alle Umstände erleichterten mir mein Vorhaben. »Was willst du denn?«
»Wir haben uns vor sehr langer Zeit kennengelernt.«
»Aha?«
»Vorschule.«
»Ich erinnere mich nicht …«
»Darf ich reinkommen?«, fragte ich höflich, und nach kurzem Zögern antwortete sie: »Ja, ja. Bitte sehr.«
Die Tür fiel hinter mir ins Schloss, ich zog mir die Jacke aus und hielt sie ihr auffordernd hin. Sie wirkte überrascht und betrachtete mich mit einer gewissen Skepsis, bevor sie die durchnässte Windjacke nahm und auf einen Kleiderbügel hängte.
Sie machte keine Anstalten, mich weiter ins Haus hineinzubitten, sodass ich den ersten Schritt machen musste. Sie folgte mir in die Küche und betrachtete mich misstrauisch, als ich einen Stuhl heranzog und mich wie selbstverständlich an den langen, rustikalen Eichentisch setzte, auf dem abgesehen von dem Kreuzworträtsel und einem Kugelschreiber ein grobes Schneidebrett und ein großes Messer lagen.
»Vorschule also?«, fragte sie feindselig.
Ich bekam das Gefühl, dass sie genauso ablehnend reagiert hätte, wenn ich ihr erzählt hätte, dass sie eine Million im Lotto gewonnen hätte. Denn nicht der Inhalt meiner Worte hatte diese Reaktion ausgelöst, sondern die Tatsache, dass ich sie gesagt hatte. Ein widerwärtiger Mensch mit hässlichen Gesichtszügen, einem nichtssagenden Körper, einer idiotischen Frisur und unmodischen Klamotten. Ich strahle Niederlage aus, ich atme Niederlage, ich sehe aus wie eine Null. Und genau das hatte Carina Ahonen sofort gesehen, nachdem sie mir die Tür geöffnet hatte. Sie hatte es schon gerochen, bevor ich den Mund aufgemacht hatte. Es machte mich wahnsinnig.
»Wir sind in dieselbe Vorschule gegangen. In Katrineholm. Skogskullen.«
»Daran kann ich mich nicht erinnern.«
»Kannst du dich an gar nichts mehr aus der Vorschule erinnern?«
»Doch, aber nicht an dich.«
Ihre Art, nur auf meine Kleidung zu schauen und nicht in mein Gesicht, spiegelte all die Verachtung wider, die sie mir gegenüber empfand. Ich hätte sie auf der Stelle umbringen können, aber das wäre viel zu barmherzig gewesen. Ich dachte darüber nach, wie ich weitermachen sollte, aber mir fiel nichts anderes ein, als dass mir ein Glas Wein sehr gut tun würde.
»Lädst du mich auf ein Glas ein?«, fragte ich.
Wahrscheinlich wurde sie von meiner direkten Art überrumpelt, jedenfalls starrte sie mich einige Sekunden ungläubig an, bevor sie den Kopf schüttelte und ein Weinglas aus einem Schrank
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