Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
flüsterte die Worte vor sich hin, so leise, dass sie selbst sie kaum hören konnte.
»Zwei Buchstaben, das ist bestimmt irgendeine chemische Bezeichnung …«
Chemie war noch nie ihre starke Seite gewesen. Eigentlich war kein einziges Schulfach, abgesehen vom Sportunterricht, ihre starke Seite gewesen, aber sie hatte es in ihrem Leben trotzdem zu etwas gebracht. Sie kostete den Wein und schnitt sich ein fünf Zentimeter dickes Stück Gurke ab, das sie aufrecht auf das Schneidbrett stellte. Inspiriert vom Muster des Kreuzworträtsels, schnitt sie die Gurke einige Male waagerecht durch und machte anschließend ein paar senkrechte Schnitte, woraufhin die Gurke in ein Dutzend dünner Stäbchen zerfiel, die auf das Schneidbrett purzelten. Mit Hilfe des Messers schob sie sie zusammen und gab sie in die Salatschüssel, um sich dann einen weiteren Schluck Rotwein zu genehmigen und sich einer anderen Ecke des Kreuzworträtsels zuzuwenden.
Kochen und Haushaltsarbeit waren kleine Beschäftigungen, die sie besonders wertschätzte. Ironischerweise waren es aber genau diese Tätigkeiten, denen sie mittlerweile den größten Teil ihrer Zeit widmete. Nachdem sie zwei Jahre lang das Gymnasium besucht und einen mittelmäßigen Abschluss gemacht hatte, war sie nach Stockholm gezogen, um dort das große Abenteuer zu suchen. Ohne Ausbildung oder irgendeine Art von Berufserfahrung bekam sie Arbeit in einer angesagten Bar in der Nähe des Stureplan. Das hatte sie ihrem Aussehen und ihrer direkten und vielleicht ein wenig aufreizenden Art zu verdanken, und daraus machte sie auch kein Geheimnis.
Während der Abende und Nächte, an denen sie nicht arbeitete, stürzte sie sich in das Nachtleben von Stockholm und brachte es ohne größere Mühe zu einer großen Schar von Freunden und Verehrern. Es dauerte nicht lange, bis sie hinter der Theke, wo sie exotische Drinks mixte und Bier in großen Mengen ausschenkte, zum Ziel von Headhuntern wurde, wie sie es zu nennen pflegte. Ein schnieker, steinreicher und sehr betrunkener Rechtsanwalt gab ihr einen Job als Sekretärin in seinem Büro. Da hatte es nichts zu überlegen gegeben. Er bezahlte gut, und sie verbrachte ihre Tage mit unkomplizierten Schreibarbeiten, Kaffeekochen und anderen kleinen Dienstleistungen, die er von ihr verlangte. Unter der Woche gingen sie abends in teure Restaurants und schliefen anschließend miteinander, und an den Wochenenden – die er in der Regel mit seiner Frau und den Kindern verbrachte – arbeitete sie nebenher in der angesagten Bar und kümmerte sich weiter um ihre männlichen Bekanntschaften aus anderen Teilen der Gesellschaft. Das war das Swinging Stockholm der fröhlichen Achtzigerjahre.
Mit der Zeit kam ihr allerdings selbst Stockholm ein bisschen provinziell vor, und sie beschloss, in der weltläufigeren Flugbegleiterbranche ihr Glück zu versuchen. Auch hier stellte ihre mangelnde Bildung keinen Hinderungsgrund dar, zumal sie mittlerweile ja auch einige Berufserfahrung gesammelt hatte. Sie bekam einen Job bei der SAS und reiste quer über den Globus. Anstrengende Fluggäste und unzählige Stunden harter Arbeit in engen Flugkabinen wurden durch fantastische Feste, schöne Menschen und stürmische Liebschaften aufgewogen, die sich in einem nicht enden wollenden Strom von Champagner und Piñas Coladas aneinanderreihten.
Am Ende begegnete sie ihrem Traumprinzen, dem SAS -Piloten Jonas, der mit seinem dunklen fast schwarzen Haar und den eisblauen Augen der schönste Mann war, den sie jemals gesehen hatte. Aus der vielköpfigen und ständig um ihn herumschwärmenden Schar von Bewunderinnen wählte er sie aus, und sie fackelte nicht lange und schickte seinetwegen all ihre eigenen schmachtenden Verehrer und Möchtegern-Liebhaber in die Wüste.
Nach einer standesgemäßen Hochzeit mit beinahe zweihundert geladenen Gästen aus der Welt der Reichen und Schönen stellte sich plötzlich heraus, dass er einen Gutshof außerhalb von Sigtuna, der sich seit Generationen im Besitz seiner Familie befand, zu ihrem Wohnsitz ausersehen hatte. Jonas wollte einen Traum verwirklichen: im Alltag fliegen und in seiner Freizeit reiten und Niederwild jagen. Von ihr wurde erwartet, dass sie ihre Arbeit als Stewardess aufgab und sich zu Hause auf dem Hof um den Haushalt, die Hunde, die Pferde und die Kinder kümmerte. Dagegen hatte sie in ihrem frisch verliebten Zustand keine größeren Einwände gehabt, was sie mittlerweile zutiefst bedauerte. Kinder hatten sie nicht bekommen,
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