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Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Titel: Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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bogenförmiges, tiefrotes Tropfenmuster über unser Spiegelbild in der Kühlschranktür, und sie sank leblos auf das Eichenparkett. Endlich war alles leise und still.
    Ich vermute, dass ich selbst auch nicht mehr in vollem Besitz meiner geistigen Kräfte war, aber ich ging zum Herd hinüber und kontrollierte mit einer Gabel, ob die Kartoffeln gar waren. Sie waren es. Also legte ich mir ein paar von ihnen auf den Teller, holte den wunderbar duftenden Elchbraten aus dem Ofen und schnitt mir eine große, saftige rosa Scheibe ab. Im Kühlschrank entdeckte ich noch einen frischen Salat als Beilage. Dann setzte ich mich an den Küchentisch, leerte die Weinflasche und genoss Carina Ahonens Abendessen, ohne auch nur einen einzigen Blick auf den gerade noch so lebendigen Körper auf dem Küchenboden zu werfen.

    Mittlerweile bekomme ich immer mehr das Gefühl, dass ich im Grunde genommen kein körperbetonter Mensch bin. Tatsächlich eigne ich mich überhaupt nicht für körperliche Aktivitäten, was ich eigentlich schon immer gewusst habe. Auch als Henker bin ich keine Idealbesetzung. Der Mord an Hans war in vielerlei Hinsicht eine Enttäuschung, aber dennoch der Beginn von etwas Großem. Der Mord an Ann-Kristin darf wohl als Höhepunkt meiner Karriere betrachtet werden, und an diesen Mord denke ich auch am liebsten zurück. Aber danach spürte ich sehr deutlich, dass ich so nicht weitermachen konnte. Zu töten ist eine Sache, zu foltern eine ganz andere. Es ist mir irgendwie zu körperlich. Die chinesische Wasserfolter wäre vielleicht etwas für mich, aber dafür bin ich wiederum zu ungeduldig. Ich möchte Ergebnisse sehen, und außerdem riskiert man ja immer, dass irgendjemand auftaucht.
    Wie auch immer, der Mord an Lise-Lott war der reinste Flop gewesen. Die dumme Kuh hatte gar nichts verstanden, aber das hatte man ehrlicherweise auch nicht erwarten können. Jedenfalls durfte sie eine ganze Weile leiden, aber ich habe so meine Zweifel, ob ihr überhaupt irgendwann aufgegangen ist, wer ich eigentlich bin. Und jetzt – jetzt sitze ich wieder hier mit Blut an meinen Händen. In diesem Fall sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne.
    Ich bin nervös gewesen, das muss ich zugeben. Ich bin bisher meinem Herzen gefolgt, aber dieses Mal bin ich nicht mit ganzem Herzen dabei gewesen. Carina Ahonens Leben auszulöschen ist eine rein logische Entscheidung gewesen. Sie beruhte auf der philosophischen Erwägung, dass Schleimerei, Passivität und Schadenfreude Teil des Bösen sind. Ständig redete sie den Rädelsführern bei den körperlichen Misshandlungen nach dem Mund und lobte ihre Taten. Mit ihrer passiven Anwesenheit nahm sie aktiv am Terror teil, und die Schadenfreude war der Ausdruck ihrer zerstörerischen und sadistischen Triebe. Sie war es, die die Vorgaben machte. Sie bestimmte, wie man aussehen, wie man sich verhalten, wie man sprechen musste und wofür man sich zu interessieren hatte. Sie strahlte eine wortlose Macht aus, und mit einem einzigen Stirnrunzeln in ihrem süßen Puppengesicht setzte sie ihre Soldaten gegen jeden in Marsch, der den ungeschriebenen Gesetzen trotzte, die unter ihren silbern glänzenden Korkenzieherlocken Form angenommen hatten. So ein Mensch ist doch zweifellos böse, oder? Und somit hat er sein Leben verwirkt. Trotzdem erfasste mich bei der Aufgabe, die ich mir gesetzt hatte, kein wirklicher Hass. Eigentlich empfand ich dabei überhaupt nichts, außer vielleicht ein geringes Maß an Verachtung.
    Vor ein paar Wochen erst wäre mir der bloße Gedanke, einen Menschen aus so vagen Beweggründen – ja, überhaupt aus irgendwelchen Gründen – umzubringen, vollkommen fremd gewesen, aber heute schon ist es Alltagskost. Jetzt ist es an der Zeit, damit aufzuhören, bevor ich es so satthabe, dass die Langeweile überwiegt.

FREITAGABEND
    Es war fast sieben Uhr, als Sjöberg am Freitagabend nach Hause kam, durchnässt, vergrämt und verspätet. Seit dem Donnerstagmorgen hatte er seine Frau nur in schlafendem Zustand gesehen, und den Kindern war er überhaupt nicht begegnet. Er schaffte es nicht einmal, seine nasse Hose auszuziehen, bevor er dazu verdonnert wurde, die Zwillinge ins Bett zu bringen. Die Mädchen sprangen zwischen seinen Beinen herum, voller Eifer, ihm von den Ereignissen des Tages zu erzählen, und Jonathan schrie, während Sjöberg Christoffers Windel wechselte. Die Enttäuschung über die erfolglosen Bemühungen des Tages verschwand irgendwo in seinem Bewusstsein unter einer

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