Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
finanziert ihr die Sucht? Ihre Mutter?«
Paula lachte auf.
»Ich sehe, du verstehst was von der Materie. Natürlich zahlt Mama, natürlich zahlte Hagen. Wobei Hagen eher die Rettungsmaßnahmen finanzierte und seine Mutter für das Gift aufkam.«
»Marie muss auch irgendwo wohnen und essen. Wer kommt dafür auf?«, fragte Katinka.
»Die Wohnung zahlt ihre Mutter. Ich darf nicht meckern, mein Vater hat mir diese Wohnung hier gekauft.« Sie lächelte verlegen. »Marie hat zwei oder drei Studiengänge ausprobiert. In Würzburg hat sie mit Kunst angefangen. Das gefiel ihr nicht, sie amüsierte sich lieber mit Freunden in irgendwelchen Clubs. Ich lernte Hagen und seine neurotische Familie erst ein Jahr später kennen, da lag mit Marie schon so manches im Argen, aber niemand wollte es sehen. Wenn Marie zugekifft am Kaffeetisch saß, wurde das als Erkältung bezeichnet!« Paula zischte vor Empörung. »Erkältung! Wer sollte das denn glauben! Wenn sie sich wieder nach Würzburg aufmachte, strich sie Kohle ein. Einen Hunni von Mama, einen von Hagen. Das waren noch D-Mark-Zeiten. Ich nehme an, Marie ist teurer geworden. Später ging sie an die FH in Coburg und studierte was mit textiler Gestaltung oder so. Aber da war sie schon hauptberuflich mit euphorisierenden Substanzen beschäftigt, sodass sie nach dem dritten Semester flog. Ich glaube nicht einmal, dass Marie die meiste Zeit in ihrer Wohnung herumhängt. Sie ist ständig unterwegs. Pennt bei Freunden, die ihr Stoff besorgen.«
»Wo ist eigentlich Papa Stephanus?«
»Kurz nach Maries Geburt durchgebrannt und nie wieder aufgetaucht.«
Katinka seufzte. Sie hatte oft mit angesehen, wie Junkies mit Lügen und Spielchen ihre Familien schleichend zersetzten, während immer noch die falschen Hoffnungen gärten.
»Willst du nicht die Daten auf deiner CD überprüfen?«, wechselte sie das Thema.
»Doch!« Paula sprang so heftig auf, dass ihre Tasse umfiel. Sie war ohnehin leer. »Komm mit.«
Sie griff sich die Kaffeekanne und eilte Katinka voraus ins Arbeitszimmer. Die Sonne flutete herein, und die halb kahlen Bäume warfen skurrile Schatten auf die hellgelbe Tapete. Ein mächtiges Bücherregal beherbergte eine ansehnliche Krimisammlung, auffallend viel Kinderliteratur, aber auch stapelweise Zeitschriften und Reihen von Musik-CDs.
Katinka schenkte sich Kaffee nach. Die Daten, die Paula auf den Bildschirm rief, sagten ihr überhaupt nichts.
»Bestellungen, Lieferscheine, Verkäufe«, erklärte Paula und fuhr mit dem Finger über die Listen. »Und hier ist die Buchhaltung. Das ist eine Geschichte, von der ich nichts verstehe, absolut nichts.«
Katinka verstand davon noch weniger. Sie beherrschte eine simple Einnahme-Ausgabe-Buchhaltung, die sie für ihren eigenen Betrieb nutzte. Man verrechnete Plus gegen Minus. Ganz einfach. Was da auf Paulas Rechner schillerte, sah ungleich komplizierter aus.
»Bilanzbuchhaltung«, sagte Paula. »An der Uni habe ich mich irgendwie durch den Kurs gemogelt. Hat mich nie interessiert, und in der Firma hat Josef alles gemacht.«
»Schaute Hagen ihm dabei auf die Finger?«
»Er wusste jedenfalls, welche Summen hin und her gingen.«
»Wer hat Wertinger eigentlich eingestellt? War das Hagen?«, fragte Katinka.
»Der hat sich ganz offiziell beworben. Weder Hagen noch ich kannten ihn.« Paula fixierte eine Ecke des Zimmers. Ihre Finger spielten mit der Maus. »Er hat in Landshut in einem mittelständischen Unternehmen als Buchhalter gearbeitet. Sagte, er wollte sich verändern und Franken würde ihm gefallen. Das stimmt aber nicht. Bei jeder Gelegenheit lästert er über Franken.«
»Könnte sein, dass andere Details aus seinem Leben auch nicht stimmen.«
»Darüber habe ich oft nachgedacht. Aber Hagen sagte nur, dass Josef ein prima Buchhalter wäre und er ihm vertraute. Ich war froh, dass Hagen nicht auf die Idee kam, ich sollte die Buchhaltung übernehmen.«
»Hatte Wertinger eine Chance, später als Mitinhaber dabei zu sein?«
Paula schüttelte den Kopf.
»Nicht in nächster Zeit. Ich glaube schon, dass Josef darauf gehofft hat. Jeden Monat, wenn er Hagen die Zahlen vorlegte, machte er ein gewichtiges Gesicht. Vor allem, wenn ein Monat deutlich besser lief als ein anderer.« Sie riss ihren Blick von der Wand los. »Du, Katinka, ich muss mir ein Bild machen. Das werde ich schon hinkriegen, aber ich brauche ein bisschen Zeit.«
»In Ordnung.« Katinka überlegte. »Hältst du es zwei Stunden alleine aus?«
»Klar, es wird schon
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