Pferdesommer mit Lara
weil sie nichts als Stroh im Kopf hatten.
»Sind sie weg?«, fragte ich.
»Ja. Elisa wollte ihnen noch unser Haus zeigen. Hoffentlich kommen sie nicht wieder.«
Ich hätte schwören können, dass sie wiederkommen würden, sagte aber nichts. Was mich so sicher machte, wusste ich nicht genau. Vielleicht war es der Blick, mit dem Lily Arne angesehen hatte, vielleicht auch Elisas offenkundige Begeisterung für die Geschwister Vandamme.
»Zeit für deine Reitstunde«, sagte Arne. »Oder hast du keinen Bock mehr?«
Es stimmte, eigentlich war mir die Lust vergangen. Wenn ich an die elegante, lässige Art dachte, mit der Elisa, Lily und Erik auf uns zugeritten waren, kam ich mir absolut hoffnungslos vor. So wie sie würde ich nie im Sattel sitzen, auch nicht, wenn ich zwanzig Jahre lang trainierte. Sie waren sicher alle schon als Kinder aufs Pferd gesetzt worden und hatten Reiten gelernt, wie andere das Laufen lernten.
Erst abends, als ich im Dunkeln noch lange zu Hause auf der Terrasse saß, wurde mir klar, dass es mir gar nicht um eine Meisterschaft im Reiten ging. Ich liebte Pferde und wollte mit ihnen zusammen sein, wollte lernen, sicher im Sattel zu sitzen, damit ich eines Tages mit Lara, Arne und Fee ausreiten konnte. Noch wichtiger war es mir aber, für die Pferde zu sorgen - sie zu füttern, zu putzen und zu pflegen, wenn sie krank waren und Hilfe brauchten. Ich wollte meinen Teil dazu beitragen, dass sie sich wohlfühlten und gesund und glücklich waren.
Um das zu lernen, brauchte man keine reichen Eltern und auch keine vornehme Geburt. Dazu gehörte nur die Liebe zu den Pferden.
7
Natürlich kamen sie wieder. Ungefähr jeden zweiten Tag ritten sie jetzt an Eulenbrooks Koppeln vorbei. Meistens war Elisa bei ihnen. Lily Vandamme sagte, die Strecke zwischen Wolfsgrund und Eulenbrook wäre genau richtig für einen Ausritt, weder zu kurz noch zu weit, und die Wege seien fantastisch, nicht durchkreuzt von Straßen, und abwechslungsreich, über die Felder, am Waldsee vorbei und durchs Moor.
Ich wich ihnen aus, so gut ich konnte. Lily winkte Arne immer schon von Weitem zu, wenn sie aus dem Wald geritten kamen. Ihr Lachen klang mir in den Ohren, auch wenn ich bis ans Ende der Koppel ging.
Sie kreuzten meistens zwischen drei und vier Uhr nachmittags auf. Doch eines Tages, es war ein Freitag, und ich hatte meinem Vater versprochen, ab vier im Laden zu helfen, kamen sie ganz gegen ihre Gewohnheit schon um zwei und überraschten uns mitten in der Reitstunde.
Ich übte gerade wieder einmal Leichttraben. Fee war nicht besonders gut drauf an diesem Nachmittag. Die Fliegen und Bremsen plagten sie, denn es war gewittrig, und sie trabte widerwillig und mit hängendem Kopf über die Koppel.
Ihre Unlust hatte sich auf mich übertragen. Vielleicht war es auch umgekehrt. Jedenfalls bewegte ich mich genauso lustlos und linkisch wie sie.
Zu diesem passendsten aller Zeitpunkte trafen Elisa und die Vandammes ein. Jago, der bei Lara unter den Erlen lag und Siesta hielt, raste plötzlich an uns vorbei zum Gatter. Jetzt hob auch Fee den Kopf, spitzte die Ohren und wieherte.
Sie standen am Zaun und riefen »Hallo!« und »Hi!«. Ich drehte mich nicht zu ihnen um, glaubte, ihre spöttischen Blicke aber im Rücken zu spüren.
Arne kam ein paar Schritte auf uns zu. Halblaut sagte er: »Lass dich nicht rausbringen! Kümmere dich einfach nicht um sie.«
Fee war stehen geblieben. Ich biss die Zähne zusammen und dachte: Die können mich mal! Tapfer nahm ich die Zügel wieder auf, drückte Knie und Schenkel an, wie ich es gelernt hatte, und versuchte, den Rhythmus wiederzufinden, während sich Fee ohne Begeisterung in Bewegung setzte.
Natürlich konnte nichts daraus werden. Nicht mit zusammengebissenen Zähnen und den spöttischen Blicken der drei Zuschauer im Nacken. Es war ganz still am Gatter, und ich stellte mir vor, wie sie mich beobachteten und sich das Lachen verbissen, während ich so jämmerlich im Sattel herumhopste wie in meinen schlimmsten Anfängerzeiten.
Es dauerte wohl nicht mehr als ein paar Minuten, doch mir kam es wie eine Ewigkeit vor, wie das mit allen peinlichen Momenten im Leben so ist.
Plötzlich dachte ich: Was tue ich hier eigentlich? Kein Mensch zwingt mich, hier die Volksbelustigung zu machen! Und noch während mir diese Erleuchtung kam, zügelte ich Fee, die sofort erfreut und dankbar stehen blieb, und schwang mich aus dem Sattel.
Vom Gatter her kam ein Geräusch. Vielleicht war es das leise Prusten
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