Pflicht und Verlangen
jedenfalls. Er seufzte tief und wandte sich dann seiner Gattin
zu: »Gwendolyn, ich bitte dich, wir sollten uns nicht kindisch
benehmen.«
Sie
antwortete nicht, sondern gab vor, weiterhin die Landschaft zu
bewundern.
» Ist
dir die Tatsache, dass wir nach London fahren, nicht Zeichen genug,
dass ich zu dir stehe? Ich verspreche dir, dass ich für dich
sorgen werde und dass es dir und dem Kind an nichts fehlen wird.«
» Das
ist ja auch das Mindeste, was ich erwarten kann«, erwiderte sie
schnippisch. Wenigstens sprach sie jetzt wieder mit ihm. »Ich
weiß nicht, was du an dieser dummen Person finden konntest!«,
Lady Battingfield scheute sich nicht, ihren Verdacht offen
auszusprechen, zu groß war ihre Eifersucht. Sie begann, sich in
Gehässigkeiten zu ergehen: »Ich habe sie nur eingeladen,
weil sie mich dauerte. Eine Waise, noch dazu ohne Vermögen und
auch nicht besonders hübsch oder geschickt …«
Er
ließ es über sich ergehen. Es war nur zu offensichtlich,
dass sie das kleinliche, wenn auch verständliche Bedürfnis
hatte, ihre Rivalin vor ihm schlechtzureden. Charlotte hatte sich
weitaus ehrenhafter verhalten, dachte er, während er versuchte,
die weiteren Tiraden seiner Gattin über die angeblichen Mängel
der Frau, die er liebte, zu ignorieren. Seltsam erschien ihm nur,
dass Gwendolyn ganz vergessen zu haben schien, wie sehr sie selbst um
deren Aufmerksamkeit gebuhlt hatte.
Schließlich
war er ihrer Anwürfe überdrüssig. »Lass es jetzt
gut sein, Gwendolyn!«, sagte er streng. »Ich werde unsere
Ehe achten, wie ich es versprochen habe. Aber erwarte bitte keine
Liebesschwüre von mir. Du weißt so gut wie ich, dass wir
nur auf Wunsch unserer Väter geheiratet haben. Weder hattest du
Gefallen an mir noch ich an dir. Es handelt sich lediglich um die
Einhaltung einer Vereinbarung, auch zu dem Zweck, den Fortbestand des
Hauses Battingfield zu gewährleisten. Und es haben sowohl deine
wie auch meine Familie von unserer Verbindung profitiert. Das ist es,
nicht mehr und nicht weniger. Es tut mir leid, dass ich dies so hart
sagen muss. Ich kann dich meiner Verlässlichkeit versichern,
auch meiner Achtung, wenn du dich ihrer weiterhin als würdig
erweist, aber nicht meiner Liebe.«
Lady
Battingfield sah ihn mit großen Augen an, dann fing sie
hysterisch an zu heulen und konnte sich für die nächsten
zehn Meilen nicht mehr beruhigen. Er war froh, als sie endlich den
Gasthof erreichten, in dem sie übernachten wollten. Ihres
Geschreis überdrüssig, bestellte er getrennte Räume
und begab sich auf sein Zimmer. In diesem Zustand war mit seiner Frau
nichts anzufangen, das wusste er aus Erfahrung. Sie würde sich
mit der Zeit wieder beruhigen.
Kapitel
25
Charlotte
erwachte am nächsten Morgen mit eindeutigen Anzeichen eines
leichten Fiebers. Sie überlegte kurz, ob sie es wagen konnte im
Bett zu bleiben, entschied dann aber, dass dies Lady Millford zu sehr
reizen würde. Allerdings war es eine Maßgabe der
Verantwortung, dass sie heute von einem Krankenbesuch bei Sir
Alistair absah. Als sie sich erhob, überrollte sie eine Woge
starker Übelkeit und sie stürzte zur Waschschüssel, um
sich zu erleichtern. Vortrefflich, dachte sie nicht ohne Ironie, die
besten Voraussetzungen, um Terency heute Abend entgegenzutreten.
Vielleicht wurde er ja durch ihre wenig kleidsame Erkältung
abgestoßen. Das war immerhin ein schwacher Trost.
Nachdem
die von ihr eilig herbeigerufene Dienstmagd Rosie die Spuren ihrer
plötzlichen Schwäche beseitigt und sie sich gründlich
gewaschen hatte, fühlte sie sich etwas besser, wenn auch
wackelig auf den Beinen. Es war dringend notwendig, dass sie endlich
etwas aß, sagte sie sich. Sie hatte seit der Suppe bei Dr.
Banning kaum etwas zu sich genommen. Beim Dinner mit Lady Millford am
Abend zuvor hatte eine derart eisige Stimmung geherrscht, dass sie
kaum einen Bissen heruntergebracht hatte. Es war aber nötig,
dass sie für den Besuch Terencys Kräfte sammelte, wie
sollte sie ihm sonst gewachsen sein?
Als
sie zum Frühstückszimmer hinunterging, ermahnte sie sich
selbst, ihrer Angst vor dem unheilvollen Besuch und vor dem, was ihr
in ihrer Vorstellung schlimmstenfalls drohte, nicht zu viel Raum zu
geben. Je mehr sie Terency fürchtete, umso mehr Macht konnte er
über sie gewinnen und gerade das war es, was sie um jeden Preis
zu vermeiden suchte.
Zu
Charlottes Erleichterung war Lady Millford noch nicht zugegen und sie
zwang sich, trotz ihrer schlechten Verfassung ordentlich
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