Pflicht und Verlangen
verschwand aus seinem
Gesicht, um für einen Augenblick einer fast ungezügelten
Wut, derer aber nur seine geschockte Gesprächspartnerin
ansichtig wurde, Platz zu machen. Dann jedoch setzte er schnell die
Maske des charmanten Dandys wieder auf. »Die ganze Sache war
doch nicht so wichtig, wie ich sie eingeschätzt hatte, deshalb
habe ich es vergessen. Ich verspreche Ihnen aber feierlich, dass ich
Sie diesmal nicht meiner Gesellschaft berauben werde. Das wird Sie
doch freuen, oder etwa nicht?«
» Das
hängt ganz von Ihnen ab, Mr Terency!«, antwortete
Charlotte kalt, ließ es aber zu, dass er ihren Arm nahm und sie
zu einer der Sitzgelegenheiten führte, wo sie sich niederließen.
Lady Millford hatte hektische Flecken am Hals, wie Charlotte nicht
ohne Häme bemerkte. Sie fürchtete nichts mehr, als dass der
hohe Gast durch das Gebaren ihrer Nichte brüskiert würde.
Dieser
zog es vor, sich zunächst nicht weiter mit der jungen Frau, die
ihm so unerwartet Widerstand geleistet hatte, zu beschäftigen.
Er wandte sich betont freundlich Lady Millford zu und plauderte mit
ihr über unverfängliche Themen, bis diese sich sichtlich
beruhigt hatte. Charlotte beobachtete ihn dabei eingehend. Er
beherrschte die Kunst der Manipulation ausgezeichnet. Wäre er
ein rüpelhafter Grobian, der für jeden leicht erkennbar von
seinen ungezügelten Trieben gesteuert wurde, so wäre es ein
Leichtes gewesen, ihn in seinen wenig ehrenhaften Absichten zu
überführen. Er aber verbarg sich gekonnt hinter der Maske
des weltgewandten Edelmannes und vermochte dadurch, oberflächliche
Beobachter zu täuschen. Auch Lady Millford ließ sich
hinters Licht führen, nicht zuletzt deshalb, weil sie getäuscht
werden wollte. Charlotte konnte die Situation kaum ertragen und
beteiligte sich nur sehr spärlich am Gespräch. Die
Konversation, nichtssagend und immer wieder von Terencys arrogantem
Lachen durchbrochen, zog sich unendlich zäh dahin, bis es zu
ihrer Erleichterung schließlich Zeit war, zum Dinner ins
Speisezimmer zu wechseln. So war sie wenigstens nicht mehr gezwungen,
auf der gepolsterten Sitzbank neben dem verhassten Besuch
auszuharren.
Als
man sich niedergelassen hatte und die Speisen aufgetragen waren,
erkundigte sich Terency auch endlich nach dem Wohl Sir Alistairs.
Dieses Thema hatte er bisher gemieden. Lady Millford bedauerte
zutiefst, ihm mitteilen zu müssen, dass sich ihr Gatte aufgrund
seines schlechten Gesundheitszustandes außerstande sah, am
Dinner teilzunehmen. Man sei höchst besorgt über seinen
Zustand und fürchte, in nicht allzu ferner Zeit seinen Tod
beklagen zu müssen.
» Es
tut mir leid, das zu hören«, meinte Terency dazu, »zumal
ja die Erbfolge für Millford Hall nicht geklärt ist. Oder
gibt es einen männlichen Verwandten, der erbberechtigt wäre?«
Lady
Millford bedachte ihn mit einem lauernden Blick. Das Gespräch
entwickelte sich jetzt ganz in ihrem Sinne. »Nein, Mylord, den
gibt es nicht. Millford Hall geht an den zukünftigen Ehemann
meiner Nichte, die, wie Sie wissen, von uns an Kindes statt
angenommen wurde. Natürlich sind an das Erbe gewisse Auflagen,
meine Person betreffend, geknüpft.«
» Schau
an, Miss Millford, dann sind Sie ja eine wirklich gute Partie. Ein
wahrer Leckerbissen für jeden interessierten Gentleman.«
Terency lehnte sich zurück, griff lässig nach seinem
Weinglas und schaute Charlotte herausfordernd an.
Diese
fand seine Wortwahl ausgesprochen unpassend und verweigerte ihm eine
Antwort. Ihre Reserviertheit störte ihn jedoch keineswegs.
» Miss
Millford, ich trinke auf Ihr Wohl und auf eine erfolgreiche Jagd nach
einem geeigneten Ehemann.« Er lachte anzüglich und zwang
Charlotte mit seinem Trinkspruch, ebenfalls ihr Glas zu erheben. »Wer
weiß, vielleicht habe ich selbst ein gewisses Interesse.«
Er beugte sich nach vorn und fixierte sein Gegenüber unverwandt.
»Wäre das nicht in Ihrem Sinne, Miss Millford? Ihre
verehrte, fürsorgliche Tante hat bestimmt nichts dagegen
einzuwenden, nicht wahr, Mylady?«
Es
widerte Charlotte an zu sehen, wie ihm ihre Tante bereitwillig in die
Falle ging. Auf Lady Millfords Gesicht erschien ein Lächeln, das
zurückhaltend, aber zustimmend wirken sollte, ihrer Nichte aber
eher wölfisch vorkam. Es war also beschlossene Sache! Terency
wusste nun mit Sicherheit, dass er sich erlauben konnte, was er
wollte, sofern er die Aussicht auf eine Eheschließung im Raum
stehen ließ und Lady Millford ihm alles zugestehen würde,
selbst, wenn er sich
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