Pflicht und Verlangen
anderen waren im allgemeinen Aufbruch
mitgerissen worden. Wenigstens dieser Teil des perfide gesponnenen
Plans war gescheitert. Nachdem die Reiterhorde sich auf offenem Feld
etwas mehr auseinandergezogen hatte, konnte John nun auch einen
zweiten Versuch starten, seinen Verfolger, der wie eine Klette an ihm
klebte, abzuschütteln, was ihm schließlich auch gelang.
Porter fiel zurück. Vielleicht gab er es aber auch auf, da seine
Aufgabe erfüllt war.
Inzwischen
war ein zweites Horn erklungen, um anzuzeigen, dass ein weiterer
Fuchs aufgestöbert worden war. Ein größerer Teil der
Reiter setzte sich nun mit etwa der Hälfte der Hunde, die vom Master of Hounds mit der Hundepfeife dirigiert wurde, in einer
weiteren Gruppe ab und verfolgte das neue Ziel, während die
ursprüngliche Gruppe mit unverminderter Geschwindigkeit
weiterpreschte.
Charlotte,
die schwer mit ihrem Hengst zu kämpfen hatte, gehörte zu
denen, die das erste Ziel weiterverfolgten. Terency hielt sich auf
seinem Wallach dicht neben ihr und ergötzte sich sichtlich an
ihrer steigenden Unfähigkeit, dem kräftigen und immer
wieder ausschlagenden Tier ihren Willen aufzuzwingen. Es war nur eine
Frage der Zeit, bis sie abgeworfen und von den nachfolgenden Pferden
zertrampelt würde.
Sie
passierten das Waldstück, das sie am Vortag durchquert hatten
und wandten sich gen Westen. Dort lag in der Ferne ein größerer
Wald, aus dem nun erneut das erste Horn erklang. Die Hunde jaulten
auf und die Hatz verfiel in ein noch schärferes Tempo. Die Luft
war geschwängert vom Trommeln der Hufe und dem Schweißgeruch
von Tier und Mensch. Jagdfieber und Gier machte sich breit und ließ
die Reiter alle Vorsicht vergessen. Doch John bemerkte dies alles
nicht. Sein ausschließliches Ziel war es, Charlotte zu
erreichen und den rasenden Lauf des Hengstes zu bremsen. Nur noch
etwa achtzig Yards und er würde es geschafft haben. Nackte Angst
trieb ihn an, denn Charlotte schien nun sichtlich zu ermüden,
während der Hengst immer mehr den Kopf warf und zusehends
aggressiver wurde. Die Pferde um ihn herum und die aufgeheizte
Atmosphäre der Jagd ließen das Tier kopflos voranstürmen.
John
begann, seinem Pferd die Gerte zu geben und legte sich flach auf den
Hals des Tieres. Er musste sie unbedingt erreichen. Da sah er, wie
sich Terency mit einem bösartigen Grinsen nach ihm umdrehte. Er
hatte ihn bemerkt und weidete sich an seinem Bemühen, den
mörderischen Plan zu vereiteln. Plötzlich hob er ohne
Vorwarnung die rechte Hand, in der er seine Gerte hielt und drosch
unvermittelt heftig und gezielt auf die Flanke des schwarzen Hengstes
ein. Das Tier wieherte schrill und brach in Folge der Attacke
endgültig aus der Horde aus. Die völlig überraschte
Reiterin verlor ihre Zügel und hing nun, sich verzweifelt an die
Mähne klammernd, auf dem Rücken des durchgehenden Tieres.
In einem atemberaubenden Tempo, das Johns Reitpferd kaum erreichen
konnte, raste der Hengst eine Anhöhe hinauf, die oben auf der
Kuppe von einem kleinen Kiefernwald gekrönt wurde. John gab sein
Bestes, um sie trotzdem zu erreichen. Auch ein anderer Reiter hatte
sich aus der unbeirrt voranstürmenden Horde gelöst und
preschte dem wild gewordenen Tier hinterher. Es war Jenkins, wie John
zu seiner Erleichterung erkannte. Terency und seine Helfershelfer
ritten mit der Meute weiter und kümmerten sich scheinbar nicht
mehr um das Drama, das sich gerade abspielte.
Jenkins
schrie ihm etwas zu und gestikulierte wild mit den Armen, während
er sein Reittier zu größter Eile antrieb. John verstand
ihn nicht und zügelte seinen Hengst ein wenig. Als der
Stallmeister etwas näher gekommen war, verstand er ihn endlich
zumindest teilweise. Jenkins wies auf den Hügel, den Charlottes
Teufelspferd nun schon fast zur Hälfte hinaufgerannt war und
rief immer wieder die Worte »Steinbruch« und »Gefahr«.
Mit seinen Armbewegungen bedeutete er John, dass dieser versuchen
sollte, dem Hengst von links den Weg abzuschneiden, während er
selbst von rechts kommen wollte.
John
erfasste sofort, was Jenkins meinte. Es drohte höchste Gefahr.
Offenbar befand sich auf der anderen, nicht sichtbaren Seite des
Hügels ein Abgrund, den der tobende Hengst zusammen mit seiner
inzwischen völlig verzweifelten Reiterin unweigerlich
hinunterstürzen würde, wenn er weiter in die eingeschlagene
Richtung rannte. Sie mussten unbedingt versuchen, das Tier
abzufangen.
Von
blankem Entsetzen erfasst und den Blick nur noch auf das Ziel vor
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