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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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die
Ungeduld seiner Gattin Charlotte gegenüber spürbarer.
    Allerdings
hatte Charlotte ihrem Onkel versprechen müssen, nicht zu lange
fortzubleiben. Ein Versprechen, das sie zwar folgsam gegeben hatte,
das für sie aber nicht leicht einzuhalten war. Seit mehr als
zwei Wochen lebte sie nun schon im Hause der Battingfields und hatte
in dieser Zeit Gelegenheit bekommen, eine tiefere Bekanntschaft mit
seinen Bewohnern zu machen.
    Lady
Battingfield hatte nichts von ihrer Oberflächlichkeit, die
Charlotte schon bei der ersten Einladung zum Dinner aufgefallen war,
verloren. Sie war zwar eine wirkliche Schönheit, aber darin
erschöpften sich ihre Vorzüge bereits. Ihr Charakter war
träge, ihr Geist flatterhaft und launisch. Keine einfache
Gesprächspartnerin, so sehr sich Charlotte auch bemühte,
sich für die Themen, die Lady Battingfields Interesse ständig
beanspruchten, zu erwärmen. Diese Themen − es waren derer
genau zwei − waren Mode und gesellschaftlicher Klatsch.
Ersteres pflegte Lady Battingfield durch Modeblätter wie The
Lady’s Magazine oder La Belle
Assemblée (22) zu
befriedigen, die ihr ihre Freundinnen aus der Hauptstadt zuschickten.
Letzteres wurde durch eben diese Briefsendungen ebenfalls genährt,
da die Freundinnen den Modeblättern ausführliche
Schilderungen des neuesten Tratsches beilegten.
    Captain
Battingfield zeigte für diese beiden Leidenschaften seiner
Gattin keinerlei Neigung, so wenig, wie diese sich für die
seinen interessierte. Unterschiedlicher konnten zwei Menschen nicht
sein, hatte Charlotte schon nach kurzer Zeit befunden.
    Tatsächlich
forderte ihr Aufenthalt auf Dullham Manor sowohl ihre Zurückhaltung
und ihr Taktgefühl wie auch ihre Geduld. Geduld in den
ermüdenden Gesprächen mit Lady Battingfield, die nicht zu
bemerken schien, dass sich ihr Gast für nichts weniger als für
Modeblätter und Tratsch interessierte; Taktgefühl im
Überspielen der nicht zu übersehenden Unstimmigkeiten
zwischen den Eheleuten, die Lady Battingfield schon mehrfach in
hysterisches Schluchzen hatten ausbrechen lassen, während sich
Captain Battingfield nach solchen Szenen mürrisch schweigend
entweder in sein Arbeitszimmer einschloss oder das Haus verließ;
nicht zuletzt war aber ihre unbedingte Zurückhaltung vonnöten.
So sehr sich der Captain gegenüber seiner Gattin verschloss, so
offen und interessiert zeigte er sich gegenüber Charlotte und
ihrer Beschäftigung. Er genoss augenscheinlich ebenfalls die
Gespräche bei Tisch und befragte sie ausführlich über
die Forschungstätigkeit ihres Vaters. Mehrfach hatte er ihr
durch intelligente Diskussionsbeiträge bei dem einen oder
anderen Deutungsproblem eines Fundstücks zur Lösung
verholfen und er freute sich mit ihr, wenn es ihr gelang, wichtige
Stücke der Sammlung zweifelsfrei zuzuordnen.
    Obwohl
Charlotte diese anregenden Gespräche mit John Battingfield
überaus schätzte, war sie sich darüber im Klaren, dass
achtsame Vorsicht geboten war. Schließlich war der Captain ein,
wenn auch nicht gerade glücklich, verheirateter Mann. Nur die
Tatsache, dass sie auf ausdrücklichen Wunsch von Lady
Battingfield auf Dullham Manor weilte, schützte sie vor
möglichem Gerede unter den Dienstboten, das in dieser Situation
allzu leicht entstehen konnte. Auch Captain Battingfield war sich
dieser Gefahr offenbar bewusst und vermied es sorgfältig, mit
ihr allein zusammenzutreffen. Nur zu leicht hätte sie dies
kompromittieren können. Sie war ihm dankbar für diese
höfliche Umsicht. Womöglich hätte sie in einer solchen
unbeobachteten Situation ihre unbestreitbar vorhandenen und völlig
inakzeptablen Gefühle für ihn offenbar werden lassen. Ein
Gedanke, der ihr erhebliches Unbehagen bereitete. Allerdings war es
ihr gelungen, sich im Laufe der Zeit an seine Gegenwart zu gewöhnen,
ohne ständig nervös zu werden. Erleichtert stellte sie
fest, dass sie ihre Gefühle inzwischen recht gut unter Kontrolle
hatte.
    Stattdessen
freute sie sich nun sogar darauf, ihm täglich die Ergebnisse
ihres Tuns zu präsentieren. Er gab ihr dabei das Gefühl,
einfach um ihrer selbst willen geschätzt und anerkannt zu
werden. Das war, seit sie nach England gekommen war, eine seltene und
kostbare Erfahrung. Die letzten Jahre waren ein fortgesetzter und
sich verstärkender Kampf gegen ihre eigenen Neigungen und
Interessen gewesen im Bemühen darum, sich den Vorstellungen der
Gesellschaft hinsichtlich des notwendigen schicklichen Verhaltens
einer jungen Frau zu fügen.

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