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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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unterhalb des Okulars
niedergelassen hatten. Obwohl Battingfield betont hatte, dass es sich
um ein eher kleines Exemplar eines Front-View- oder Herschelteleskops
handelte, erschien es ihr doch ausgesprochen beeindruckend, wie es
ungefähr zweieinhalb Yards hoch in den nächtlichen Himmel
hinausragte.
    Interessiert
trat sie hinzu und ließ sich vom stolzen Besitzer die besondere
Spiegelanordnung erläutern. Man beschloss, sich dem gerade nahen
Jupiter zu widmen und seine Monde und eventuell sogar die seltenen
Mondschatten auf dessen Oberfläche zu beobachten. Charlotte
erstaunte die beiden Männern damit, dass sie die Namen der vier
Jupitermonde (28) kannte, während Dr. Banning, ganz in seinem
Element, mit dem Captain über das erst vor acht Jahren
veröffentlichte bahnbrechende Werk des deutschen Mathematikers
Gauß (29), die Theoria
motus , zu
fachsimpeln begann, das die Grundlage für die sich in jüngster
Zeit häufenden Entdeckungen kleinerer Himmelskörper
darstellte. Wie Captain Battingfield der interessierten Zuhörerin
erläuterte, war es Herschel allerdings auch ohne dieses Werk
gelungen, den Uranus als siebten Planeten im Sonnensystem zu
entdecken.
    Er
befand, dass es ein wahres Glück sei, in dieser spannenden
Epoche leben zu dürfen, in der sich die Erkenntnisse sowohl über
den Kosmos wie auch über den eigenen Planeten Erde verdoppelten,
wenn nicht verdreifachten. Nicht unwesentlich sei daran auch Caroline
Herschel beteiligt, die Schwester des berühmten Hofastronomen,
die beeindruckend genaue Sternverzeichnisse vorgelegt habe. Er
besitze hier in der Sternwarte sogar eine Abschrift wesentlicher
Teile der den nordwestlichen Himmelsquadranten betreffenden
Sternenkataloge dieser beeindruckenden Wissenschaftlerin.
    » Kennen
Sie sie denn persönlich?«, fragte Charlotte aufgeregt.
Sicher ahnte er nicht, dass sie diese Frau glühend bewunderte.
    » Kennen
wäre zu viel gesagt«, schränkte er bescheiden ein,
»aber ich hatte die Gelegenheit, Herschel in der königlichen
Sternwarte in Slough besuchen zu dürfen, zusammen mit einer
kleinen Gruppe interessierter Astronomen der Marine. Sie war in den
wenigen Tagen, die wir uns dort aufhielten, auch zugegen und
erläuterte uns zusammen mit ihrem Bruder die Technik und
Anwendung der Teleskope. Sie ist allerdings eine sehr bescheidene
Frau, die sich eher im Hintergrund hält, obwohl ich sie für
ebenso brillant wie ihren Bruder halte. Sie soll ja eine
vielversprechende Karriere als Sängerin ausgeschlagen haben, um
ihrem Bruder nach Slough zu folgen.«
    » Ich
beneide Sie!«, entfuhr es Charlotte und es war nicht zu
überhören, dass dieser Ausruf aus tiefstem Herzen kam.
    Battingfield
zog halb erstaunt, halb belustigt die Augenbrauen hoch: »Was
ist denn der Gegenstand Ihrer Begierde, Miss Charlotte? Wenn ich
Ihnen irgendwie dienlich sein kann, wäre es mir ein Vergnügen.«
    Charlotte
konnte nicht anders und musste lachen. »Keine Angst, Sie dürfen
Ihr Teleskop behalten, obwohl man darauf schon neidisch werden
könnte. Nein, ich beneide Sie darum, dass Sie die Gelegenheit
hatten, diese Frau kennenzulernen. Ich habe auch von ihr gehört
und sie für ihren Mut bewundert, ihren eigenen Weg zu gehen,
koste es was es wolle. Ich glaube, das war nicht einfach für
Miss Herschel. Ich habe gehört, man habe sie in Bath, wo sie als
Sängerin bekannt war, daraufhin gesellschaftlich fallen lassen.
Uns Frauen wird es nicht leicht gemacht, wenn wir nach Bildung
streben. Das viele Lesen sei unweiblich, heißt es dann etwa und
überhaupt sei eine Frau geistig nicht in der Lage, solche Dinge
auch nur annähernd zu erfassen. Man erntet nur Spott und
Unverständnis, oft genug sogar Strafe!« Charlotte schwieg
einen Augenblick, eingenommen von wenig angenehmen Erinnerungen an
ihre Zeit im Institut, um dann heftiger fortzufahren: »Aber ich
kann mir nicht helfen, mir ist es einfach nicht genug, meine Tage mit
Stickarbeiten und belangloser Konversation zu verbringen. Genau das
ist aber die Aufgabe einer Frau, heißt es, außer sie muss
für ihren Lebensunterhalt sorgen. Und selbst dann stehen ihr nur
in sehr begrenztem Maße Wege offen. Was würde ich dafür
geben, wie jeder halbwegs gebildete junge Mann eine Universität
besuchen zu dürfen, in all das Wissen eintauchen zu können,
ohne ständig ermahnt zu werden, ohne meinen Wissensdurst immerzu
verstecken zu müssen.« Sie hatte mit immer größerer
Leidenschaft gesprochen und fürchtete plötzlich, zu weit
gegangen zu sein.
    »

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