Pflicht und Verlangen
zu
können, aber die Dinge waren verworren und schwer zu lösen.
Er betete inständig, dass es für alle Beteiligten gut
ausgehen mochte.
Kapitel
18
Es
regnete unaufhörlich. Schon den ganzen Tag rasten
Frühlingsstürme über die Wiesen und Wälder von
Dullham und hielten die Einwohner von Dullham Manor im Haus. Man
hatte sich nach dem Tee im kleinen Salon versammelt. An eine Arbeit
im Lagerschuppen war heute nicht zu denken, das hatte Charlotte
einsehen müssen. Die Tagebücher ihres Vaters waren nun
weitgehend restauriert und kopiert, wo nichts mehr zu retten war.
Viele Eintragungen mussten aber noch mit den Ausgrabungslisten
abgeglichen werden. Charlotte schätzte, dass sie noch etwa drei
bis vier Wochen Arbeit vor sich hatte. Besonders das Zusammensetzen
der Tonscherben, die durch den Transport von Griechenland und die
unsachgemäße Lagerung völlig durcheinandergeraten
waren, stellte noch eine große Herausforderung dar. Gerade
diese mit Alltagsszenen bemalten Vasen konnten aber Auskunft geben
über das Leben und die Gebräuche der Antike und erschienen
ihr, wenn auch nicht so spektakulär wie mancher Harnisch, der
sich unter den Funden befand, so doch von großem
wissenschaftlichen Wert.
Drei
oder vier Wochen, die sie vielleicht noch auf Dullham Manor
verbringen konnte, dann würde ihr Weg sie nach Millford Hall
zurückführen. Es graute ihr davor. Was konnte sie dort
schon erwarten? Der Zustand ihres Onkels war unverändert. Sie
hatte vor Kurzem eine kleine Notiz ihrer Tante erhalten, die sie
darüber in Kenntnis setzte und gleichzeitig nach der geplanten
Dauer ihres Aufenthaltes in Dullham Manor fragte. Der Ton der wenigen
Zeilen hatte unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie
Charlottes Rückkehr bald erwartete. Die Kälte und
Unfreundlichkeit Lady Millfords fiel ihr umso mehr auf, seit sie
unter Menschen weilte, die ihr, jeder auf seine Art, eher zugetan
waren. Charlotte fühlte sich inzwischen wieder recht wohl auf
Dullham Manor. Nach ihrem Ausflug zum Observatorium hatte sie einige
Tage überlegt, ob es nicht besser wäre abzureisen. Sie
hatte sich fast davor gefürchtet, wieder mit Captain
Battingfield zusammenzutreffen. Aber er zeigte eine unverändert
höfliche, freundliche Distanz ihr gegenüber und so gelang
es ihr mit der Zeit, fast zu dem ungezwungenen Ton zurückzufinden,
der ihr zu Anfang ihres Aufenthaltes so gut getan hatte. Allerdings
fiel ihr auf, dass er es noch sorgsamer als vorher vermied, ihr in
irgendeiner Form nahezukommen. Obwohl sie darüber einerseits
erleichtert war, empfand sie auch Bedauern. Doch wahrscheinlich hatte
sie es sich doch nur eingebildet, dass er mehr als höfliches
Interesse für sie empfinden könnte.
Sie
schämte sich deshalb umso mehr ihrer eigenen, durchaus heftigen
Gefühle und empfand auch ein beträchtliches
Schuldbewusstsein gegenüber der ahnungslosen und
vertrauensseligen Lady Battingfield. Um ihr schlechtes Gewissen zu
beruhigen, hatte sie sich dieser in weitaus größerem Maße
als vorher zugewandt. Sie hatte sie in der Auswahl der Stoffe für
das geplante Ballkleid beraten, Gästelisten und Karten
geschrieben, die aber immer noch nicht abgeschickt worden waren, sich
über Menüfolgen und Blumenschmuck Gedanken gemacht und sich
Stunden um Stunden mit ihr über Menschen unterhalten, die sie
weder kannte noch interessierten. Allerdings hatte sie inzwischen die
begründete Vermutung, dass Lady Battingfields Interesse an einem
Ball und den damit verbundenen Anstrengungen erlahmt war. Nachdem
deren Kleid nach mehrfachen Anproben endlich fertig geworden war,
schien seine Besitzerin zufrieden zu sein und brauchte keine weiteren
Vergnügungen. Stattdessen wurde Gwendolyn Battingfield alle paar
Tage von unerklärlichen Müdigkeitsanfällen und
morgendlicher Übelkeit heimgesucht, die aber so schnell wie sie
kamen auch wieder verschwanden. Davon abgesehen sah die Herrin des
Hauses gesund und blühend aus. Ja, ihre weiblichen Rundungen
hatten eher noch auf charmante Weise zugenommen. Charlotte konnte sie
nicht ohne ein gewisses Bedauern über ihre eigene, wie sie fand,
weniger vorteilhafte, magere Figur betrachten. Lady Battingfield
hatte wohl recht. Es war für eine Frau einfacher im Leben, wenn
sie schön, aber nicht allzu wissbegierig war.
Die
Herrin des Hauses war über ihrem Modemagazin, dem sie sich seit
über einer Stunde ausgiebig gewidmet hatte (Charlotte fragte
sich im Stillen, wie die darin beschriebenen Belanglosigkeiten die
Leserin nur so
Weitere Kostenlose Bücher