Pflicht und Verlangen
zu übernehmen. Kurzum, ich wollte dir vorschlagen, die
Familie für einige Jahre mit Mitteln aus der Stiftung zu
unterstützen, bis der Junge erwachsen genug ist, den Hof in
voller Verantwortung zu übernehmen. Wir sollten nach unserer
Ankunft auf Dullham vielleicht noch einmal darüber sprechen.«
» Ist
recht, Walter«, antwortete der Captain einsilbig.
Charlotte
wunderte sich über seine schlechte Stimmung, fürchtete sie
doch, dass sie irgendwie mit ihrer Person zusammenhing. Auch Dr.
Banning sah seinen jungen Freund mit erstaunter Miene an, sagte aber
nichts. Um das Schweigen, das nun eintrat, zu überbrücken,
fragte Charlotte: »Sie erwähnten eben das Wort Stiftung .
Ich kenne diesen Begriff nicht. Um was handelt es sich dabei?«
Bereitwillig schilderte ihr Dr. Banning ausführlich, was es mit
der Stiftung, die Captain Battingfield für die Versorgung der
Bedürftigen seiner Gemeinde eingerichtet hatte, als er den Titel
und die Ländereien seines Vaters übernahm, auf sich hatte.
Er selbst, Banning, sei als Vorsitzender der Stiftung zusammen mit
zwei weiteren ehrenwerten Mitgliedern der Gemeinde und eben dem Baron
of Dullham – er benutzte hier, was er sonst nur sehr selten
tat, den Adelstitel seines Freundes – eingesetzt.
Die
Geldangelegenheiten und Vermehrung der Geldmittel oblägen dem
Bruder Lord Battingfields, der ein erfolgreicher Anwalt in London
sei, und eben Lord Battingfield selbst. Erst vor Kurzem habe dieser
die Geldmittel der Stiftung wieder aufgestockt. Ein wahrer Segen für
den Landstrich und seine Gemeindeschäfchen. In vielen anderen
Grafschaften, so habe er von seinen Amtskollegen gehört, hätte
die Neuordnung der Gesetze zum Landbesitz, die zugunsten des Adels
und zulasten der Bauern gingen, zu einer Verelendung der
Landbevölkerung geführt. Ein Unrecht, das sich wie eine
schwärende Wunde ins Land fräße. Die Landbevölkerung
wandere seitdem auf der Suche nach Arbeit in den aufkommenden
Manufakturen in die Städte ab. Dies sei schlecht für das
Land, schlechter noch für die Städte, die in ungesundem
Maße wüchsen und am allerschlechtesten für die
betroffenen Menschen, die oft unter elendesten Bedingungen hausten
und nicht selten der Trunksucht oder dem Verbrechen verfielen, ganz
zu schweigen vom beklagenswerten Schicksal der Kinder, die in diesen
Verhältnissen aufwuchsen.
Charlotte
staunte, dass es Dr. Banning wagte, solch kritische Worte in
Gegenwart eines vermögenden Landadeligen zu äußern.
Letztlich war es ihr aber doch ein Beweis für das
außerordentliche Vertrauen, das zwischen den beiden Männern
herrschte und für den außergewöhnlich mitfühlenden
Charakter des Mannes, der in düsterer Stimmung neben ihr
herging. Sie wünschte, dass sie ihm Linderung in seiner
offensichtlichen Verstimmung schaffen könnte, wusste aber nur zu
genau, dass dies nicht ihre Aufgabe sein durfte. So war sie fast
froh, als sie endlich Dullham Manor erreichten, wo ihnen Lady
Battingfield bereits auf der Terrasse entgegentrat.
Battingfield
ging seiner Gattin mit beschleunigtem Schritt entgegen, grüßte
sie mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange und fragte sie nach
ihrem Befinden. Es gehe ihr wieder ausgezeichnet, teilte Lady
Battingfield mit, sie wisse auch nicht, was sie gestern befallen
habe. Auch am Morgen habe ihr noch der Magen etwas zu schaffen
gemacht, nun aber fühle sie sich wieder ganz hergestellt. Sie
bedaure, dass sie nicht an dem sicher vergnüglichen Ausflug
hatte teilhaben können, sagte sie, doch da wurde sie Charlottes
ansichtig, die inzwischen ebenfalls herangekommen war. Entsetzt
schrie sie auf: »Was um alles in der Welt ist Ihnen denn
zugestoßen, Miss Millford? Ihr Gesicht ist ja vollkommen
ruiniert, wie furchtbar! Es wäre doch zu schrecklich, wenn
Narben blieben. Wie würde das denn aussehen?«
Charlotte
fand die Aufregung, die sich vor allem auf doch recht
unwahrscheinliche entstellende Narben konzentrierte, etwas
übertrieben und wiegelte deshalb leicht verärgert ab: »Ich
danke Ihnen für Ihr Mitgefühl, Lady Battingfield, aber es
sieht weit schlimmer aus als es in Wirklichkeit ist. Ein wenig
Kräutersalbe und in spätestens einer Woche wird nichts mehr
zu sehen sein, dessen bin ich sicher.«
» Ach
ja? Wir wollen es wirklich hoffen, es wäre doch zu schlimm! Ein
zerstörter Teint und das in Ihrem Alter … und wo Sie doch
noch nicht verheiratet sind. Die Schönheit ist doch das einzige
Pfund, mit dem wir Frauen wuchern können, nicht wahr? Die
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