Pflicht und Verlangen
fesseln konnten), im Sessel eingenickt, und Charlotte
hatte sich zum Klavier zurückgezogen, auf dem sie nun leise
Improvisationen spielte, die ihr angesichts des Wetters durch den
Kopf gingen. Captain Battingfield hatte sich mit einem Buch zu ihnen
gesellt, las aber nicht, wie die Musikantin plötzlich bemerkte,
sondern hörte ihr zu. Sein Blick ruhte unverwandt auf ihr und
die Art, wie er sie ansah, ließ Charlotte zusehends nervöser
und unsicherer werden. Schließlich beendete sie ihr
Klavierspiel mit einem entschuldigenden Lächeln und sagte: »Ich
denke, ich werde mich jetzt doch noch etwas an die Arbeit machen. Ich
fürchte, wenn ich noch lange hier verweile und die Zeit nicht
wirklich nutze, werde ich die Geduld meiner Tante zu sehr auf die
Probe stellen. Ihr letztes Schreiben klang etwas ungehalten.«
Captain
Battingfield warf einen prüfenden Blick aus dem Fenster. »Sie
wollen sich doch bei diesem Hundewetter nicht in den Lagerraum
setzen! Sie werden sich eine Erkältung holen, das kann keinem
nützen. Haben Sie nichts mehr in der Bibliothek zu tun? Dort ist
es wenigstens wärmer, wenn Sie schon arbeiten wollen.«
» Nein,
im Moment eigentlich nicht«, antwortete Charlotte, »mir
bereiten vor allem die Tonscherben, die in der dritten Transportkiste
– Sie erinnern sich sicher – durcheinandergeraten waren,
einiges Kopfzerbrechen. Ich bekomme sie einfach nicht
zusammengesetzt. Es ist wie ein Rätsel, das völlig
verworren ist und bei dem ich nicht einmal annähernd weiß,
wie das Endergebnis auszusehen hat. Eine schwierige Aufgabe! Ich weiß
nicht, ob ich sie lösen kann. Dr. Banning hat mir zwar
freundlicherweise seine Literatur und Zeichnungen zu anderen
attischen Funden in dieser Richtung zur Verfügung gestellt, aber
ich komme einfach nicht weiter. Vielleicht sehe ich die Lösung
einfach nicht!«
» Das
klingt ja sehr interessant, genau das Richtige für einen
verregneten Tag wie diesen. Vielleicht können wir Ihnen helfen.
Wie wäre es, wenn wir die Dinge, die Sie gerade bearbeiten, hier
hereinholen ins Warme und uns gemeinsam daranmachen? Vielleicht
finden wir dann eine Lösung.«
Charlotte
lächelte dankbar, »Das ist eine gute Idee. Ich werde
schauen, was ich herüberschaffen kann …«
» Unterstehen
Sie sich! Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich Sie in den Regen
hinausjage. Sie bleiben schön hier und überlegen schon
einmal, wo wir einen geeigneten Arbeitsplatz aufstellen. Der Gärtner
und sein Bursche haben heute ohnehin nichts zu tun. Sie werden mir
helfen, das, was Sie brauchen, aus dem Lager herüberzuholen.«
Er klappte entschlossen seine Lektüre zu und erhob sich von
seinem Platz. Durch das laute Geräusch wachte Lady Battingfield
auf.
» Oh,
ich muss schon wieder eingeschlafen sein. Diese seltsame Müdigkeit
in letzter Zeit …« Battingfield wandte sich seiner
Gattin zu und meinte mit höflicher Besorgnis: »Ich mache
mir auch langsam etwas Sorgen um dich. Du wirkst zwar nicht krank,
aber vielleicht wäre es doch angeraten, einmal unseren Arzt in
Dullham Village zu konsultieren.«
» Diesen
Pferdedoktor! Das fehlte noch!« Lady Battingfield schürzte
empört die Lippen. Wenn ich zum Arzt gehe, dann nur zu unserem
hervorragenden Londoner Hausarzt Dr. Langley.
» Meine
Teure«, gab ihr Ehemann kühl zurück, »du kannst
wohl kaum erwarten, dass Dr. Langley wegen einer kleinen
Unpässlichkeit eigens den weiten Weg aus London auf sich nimmt.
Ich verspreche dir, sollte Dr. Fowler nicht weiterwissen – der
übrigens, das versichere ich dir, alles andere als ein
Pferdedoktor, sondern ein erfahrener und überaus gebildeter Mann
ist – oder wenn es gar etwas Ernstes ist, werde ich
unverzüglich um einen Besuch deines geschätzten Dr. Langley
ersuchen.«
Lady
Battingfield schien nicht zufrieden mit seiner Antwort. »Wir
könnten ja auch nach London fahren. Ich war schon so lange nicht
mehr dort«, erwiderte sie quengelnd, sprang auf und stampfte in
kindischer Manier mit dem Fuß auf.
Charlotte
wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Es war ihr sehr unangenehm,
wiederum Zeugin eines sich anbahnenden Ehezwistes im Hause
Battingfield zu werden und wandte sich zum Gehen.
Der
Captain hatte Charlottes Unbehagen bemerkt und hielt sie mit einer
Handbewegung und einem bittenden Blick davon ab, den Raum zu
verlassen. Dann ging er auf seine schmollende Gattin zu und legte den
Arm um sie. »Ich verspreche dir«, sagte er sanftmütig,
»dass wir bald wieder einmal nach London fahren, und
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