Pforten der Nacht
oder briet, der seine Worte hastig und fast mechanisch heruntergeleiert hatte; der haarige Arm des Alten, besitzergreifend auf Chiaras zarter, heller Haut; schließlich die winzige Pause, bevor sie ihren Schleier zurückgeschlagen und mit scheuer Geste den Kuss des neuvermählten Gatten empfangen hatte.
Kaum prangte an ihrer Hand der breite Goldreif, hatte Anselmo Federico Cesare Pandolfini alsbald deutlich gemacht, dass er es nicht lange dabei belassen würde. Während des Festes ließ er seine junge Gemahlin keinen Augenblick unberührt. Ständig zog er sie auf seinen Schoß, hatte überall an ihr herumzunesteln und küsste sie ohne Unterlass auf den Mund oder die Brüste, die der Ausschnitt des safrangelben Hochzeitskleids mit der hohen Taille großzügig zeigte. Ihr Gesicht, unter dem hochgesteckten dunklen Haar sehr jung, verriet nicht, was sie dabei fühlte. An der ausgiebigen, tränenreichen Umarmung aber, mit der sie sich von ihrem Vater verabschiedet hatte, bevor Pandolfini sie hinauf ins Schlafgemach trug, ließ sich jedoch erahnen, was sie wirklich empfinden musste.
Der Schlächter, wie er seinen Lehrherrn insgeheim seit Langem nannte, ließ alle genüsslich an ihrer rohen Inbesitznahme teilhaben. Die Fenster zur Kammer standen weit geöffnet, und die Weisen der Mandolinenspieler waren inzwischen leise genug, um jeden ihrer Schreie, ihrer Seufzer, ihrer Bitten, er möge von ihr ablassen und sie um Jesu willen schonen, im Hof zu hören. Dann Klatschen, Wimmern, ersticktes Männerstöhnen.
Schließlich, endlich, Ruhe.
Erleichtert, dass er ihnen zumindest den Anblick eines blutbesudelten Leintuchs ersparte, das ihre Unschuld bewies, wandten sich die Geladenen wieder ihren frisch gefüllten Bechern zu, während der nächste Gang aufgetragen wurde, und Johannes benutzte die Gelegenheit, um unbemerkt in seine Kammer zu entwischen. Margheritas bittendem Blick war er schon den ganzen Abend ausgewichen. Er schüttelte sich, wenn er nur daran dachte. Egal, was de Berck auch zu ihm gesagt hatte, er wusste es inzwischen besser. Sein größter Feind, der Dämon, dem er immer wieder erlag, war und blieb die Fleischeslust. Und er war fest entschlossen, sie auf dieser Reise zum grünen Herz des Landes für immer zu besiegen.
Johannes nahm den Weg über Siena, weil er dort mit dem Zunftmeister der Wollschläger zu verhandeln hatte. In letzter Zeit waren immer wieder Klagen über die Qualität der Ware laut geworden; mit eigenen Augen überzeugte Johannes sich nun davon, ob dem von Pandolfini geforderten Anspruch auch wirklich nachgekommen wurde. Ein langer, komplizierter Arbeitsprozess über mehrere Monate von der ersten Schur bis zum fertigen Tuch, währenddessen bei jeder einzelnen Station vieles falsch gemacht werden konnte. Die Wolle wurde geschlagen, aussortiert, gefettet, gewaschen, gekämmt, kardiert, auf Rollen gehaspelt, versponnen; erst anschließend wurde sie angezettelt und zu Tuch verwebt, das man danach freilich zusätzlich noppte, noch in feuchtem Zustand schor, zum Trocknen spannte, krempelte und zum zweiten Mal schor, um es den Färbern zu übergeben. Was sich als Letztes anschloss, waren Mangeln und Legen.
Agnolo di Niccolo versicherte ihm beim Abschied, es werde in absehbarer Zeit keinen Anlass mehr zur Klage geben, schien aber sehr erleichtert, als Johannes aufsaß und nach Perugia weiterritt, der nächsten und letzten Station seiner geschäftlichen Reise. Hier lebte und arbeitete Domenico Peruzzi, mit dem zusammen Pandolfini Seiden- und Baumwollstoffe, die meisten vor Ort hergestellt, exportierte. Außerdem betrieb er einen Laden, einen der schönsten der Stadt, in dem er nicht nur Tuch, Seide, Samt, Tischdecken und Schleier verkaufte, sondern auch Nadeln, Faden, Scheren. Die Wände waren mit Zedernholz getäfelt, da es nach Peruzzis Meinung wichtig war, dass die Stoffe nicht zu feucht und nicht zu trocken gelagert wurden; in der Mitte stand ein großer Kasten mit Beschlägen, Schlössern und Schmucknägeln, die arca , in der die wertvollsten Stoffe aufbewahrt wurden. Waage, Geldtruhe, Leitern für die Ware in den Regalen, Messstab und ein kleines Schreibpult vervollständigten die Einrichtung.
Hier dauerte es länger, bis Johannes seine Mission erfüllt hatte. Einige Tage und kaum weniger Nächte verbrachte er mit Peruzzi über dem Rechenbrett und den kleinen Beuteln, die die quarteroli , Rechenmünzen in verschiedenen Farben, enthielten, bis die Ungereimtheiten in den Büchern endlich
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