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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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seinen Mund. Seine rechte Faust schloss sich fest um die Hostie, das kostbarste aller Güter.
    Ein heiliger Schwindel erfasste ihn. Dann sank er mit einem Mal wie tot neben dem verletzten Priester in den Staub.

Elf
    An Rutgers Hochzeitstag mit Veronika von Herrenberg brannte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Schon am Vormittag, beim feierlichen Hochamt im Dom, wo der Segen gesprochen wurde, war es so warm, dass die Männer unter ihren schweren Mänteln schwitzten und die Damen verstohlen die Bänder an den bortenbesetzten Miedern lockerten. Die Bänke waren voll, rechts saßen die Männer, links die Frauen. Viele mussten stehen, was niemanden zu stören schien. Reichlich waren sie erschienen, um zu sehen, was für eine Frau Jan van der Hülsts Erstgeborener zu guter Letzt heimführte, allen voran die Mitglieder der Richerzeche, die ganz vorn auf ihren eigenen Kirchstühlen zu sitzen kamen, die Overstolzens, Birklins, vom Hornes, Hardefurchts, von der Aduchts, Scherfgins, Quattermatts, Lyskirchens, Gryns, Kleingedanks, Spiegels und Hirzelins, um nur einige der wichtigsten Kölner Geschlechter anzuführen, die seit Jahrzehnten nahezu ausschließlich die Mitglieder des Schöffenkollegs und des Inneren Rates stellten.
    Die weit verzweigte Sippe der Verlobten stammte ursprünglich aus Deutz, hatte jedoch ein Vermögen im Fernhandel mit Edelsteinen, Gewürzen und vor allem Pelzen gemacht, die sie quer durch ganz Europa kauften und wieder verkauften. Inzwischen wohnten ihre Mitglieder in vielen Städten entlang des Rheins, und eine Unzahl an Onkeln, Tanten, Basen und Vettern war nach Köln zur Hochzeit angereist. Dazu natürlich Vater und Mutter der Braut sowie zwei wesentlich ältere Brüder mit ihren Frauen und Nachkommen, eine Schwester, ebenfalls verheiratet und bereits Mutter zweier Kinder. Jan van der Hülst hatte darauf bestanden, dass die Hochzeit in Köln stattfinde - und nicht, wie gemeinhin üblich, in der Heimatstadt der Braut. Diese Gelegenheit, seinen Reichtum ausgiebig zur Schau zu stellen, hatte er sich auf keinen Fall nehmen lassen wollen. Und so reisten Veronikas sämtliche Verwandte nach Köln, um Zeugen zu sein, wie Clemens von Herrenberg nun auch seine Jüngste fürsorglich unter die Haube brachte.
    »Kein Wunder, dass sie eine immense Mitgift bekommen hat«, flüsterten die Leute hämisch bei ihrem Anblick, »Wagenladungen mit Stoffballen, Spitzen, Pelzen, Hausrat. Kisten voller Gold, zwei Wohnhäuser und ein halbes Silberbergwerk. Dazu einen leibhaftigen Mohren! Denn eine Schönheit ist sie wahrhaftig nicht!«
    Braut und Bräutigam gönnten sich keinen Blick, ob aus Aufregung oder Abneigung, ließ sich nicht feststellen.
    »Heißt es nicht außerdem, dass der Älteste des Kaufmanns seit Jahren seine Fleischeslust ganz unverhohlen bei den Huren in der Schwalbengasse stillt? Für jedes Pfund zu viel drei Vierlinge extra, sagt man. Denn nicht alle Huren haben Lust, im Fett zu ersticken.« Hinterhältiges Kichern. »Sie wird sich noch umschauen, diese dürre, eingebildete Ziege aus Deutz! In der Regel ändern Männer ihre Gewohnheiten auch in der Ehe nicht mehr. Besonders, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben.«
    Die Braut war hochgewachsen und trug ein lichtblaues Seidenkleid, trotz der sommerlichen Temperaturen an Saum, Ausschnitt und Ärmeln mit breiten Hermelinstreifen besetzt, war beileibe aber nicht schlank und biegsam, sondern von zäher Magerkeit. Ihr Haar war dunkel und stumpf, und nicht einmal das Goldhäubchen und der ebenfalls golddurchwirkte Schleier, der es umflatterte, vermochten es halbwegs duftig aussehen zu lassen. Veronika hatte eine Stumpfnase, braune, eng zusammenstehende Augen, die wieselflink umherblickten, und ein fliehendes Kinn. Das Anziehendste in diesem Mädchengesicht hätte eigentlich der Mund sein können, groß und rot, mit fein geschwungenen Lippen, wären da nicht die spitzen Zähne gewesen, schon jetzt schadhaft und bräunlich verfärbt. Vielleicht hatte sie deshalb die albern wirkende Angewohnheit angenommen, ständig beim Sprechen die Hand vorzuhalten. Gelacht hatte sie schon seit zwei Tagen nicht mehr, nicht einmal gelächelt. Die Ankunft in der Kölner Kaufhausgasse schien ihr schwer auf die Stimmung geschlagen zu sein.
    Ihre Stimme klang dünn und fast ängstlich, als sie ihr Jawort gab. Rutger dagegen, der sich in eine geschnürte rote Samtschecke gepresst hatte, die seine feisten Schenkel in den eng anliegenden Beinlingen schonungslos zur Schau

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