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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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stellte, brummte wie ein Bär.
    Schon nach dem ersten Kind wird sie aussehen wie ihre eigene Großmutter, dachte Bela van der Hülst resigniert. Mit unreiner, quittegelber Haut, Brüsten wie nassen Schläuchen und mehr Lücken als Zähnen im Mund. Falls Rutger überhaupt das Kunststück fertigbringt, ein Kind zu zeugen. Spätestens dann wird er genug von ihr haben und sie nicht einmal mehr umarmen, wenn alle Kerzen neben der Bettstatt gelöscht sind. Allerdings wird es Veronika dann nichts mehr nützen, auf ihre Mitgift zu pochen, geschweige denn möglich sein, sie für eigene Zwecke zu verwenden. Nicht alle Väter sind so klug und umsichtig, wie meiner es war! Ein Frans de Huggenrode war und bleibt einmalig. Clemens von Herrenberg kann ihm nicht das Wasser reichen. Er scheint es so eilig gehabt zu haben, diese Heirat zu arrangieren, dass er keine weiteren Bedingungen an seine großzügige Morgengabe geknüpft hat.
    Sie war erschöpft an diesem schwülen Tag und fühlte sich matt und elend, wie schon seit Wochen - nein, Monaten, wenn sie ehrlich war. Ihr Kopf schmerzte, und da war wieder dieser seltsame Druck auf den Magen, der nicht mehr aufhören wollte. Den Appetit hatte sie schon lange verloren, pickte wie ein Vögelchen an den meisten der aufgetragenen Speisen und verspürte schon Übelkeit, wenn der Weinkrug nur in ihre Nähe kam. Seltsamerweise wurde sie trotz der mageren Kost nicht dünner, sondern nahm ständig zu. Nur mit Mühe hatte sie überhaupt noch in das graue Festkleid gepasst, das früher lose gesessen hatte, während jetzt die Nähte in der Taille zu platzen drohten. Dabei war der Tag noch jung; eine schier endlose Strecke lag vor ihr, bevor sie die Füße in ihrer Bettstatt würde ausstrecken können, um die Ruhe zu genießen, nach der es sie immer dringlicher verlangte.
    »Hör auf damit, wie ein Kettenhund dreinzuschauen, der nach seinem verlorenen Knochen jault«, knurrte Jan neben ihr, als das Hochamt beendet war und sie nach draußen in die Sonne traten, und kniff sie unsanft in den Arm. »Lächle! Oder mach wenigstens ein freundliches Gesicht! Alle schauen auf uns. Oder sollen die Leute etwa denken, dass du neidisch auf das Glück deines Sohnes bist?«
    »Glück - was soll das sein? Etwa mit einem fremden Menschen auf Gedeih und Verderb ins Joch gespannt zu werden, bis der Tod die Erlösung bringt? Ginge es nach mir, er hätte ruhig ledig bleiben können«, zischte sie zurück, riss sich aber doch halbwegs zusammen. »An deiner Seite habe ich lernen müssen, dass die Ehe die Hölle auf Erden sein kann.«
    »Tatsächlich?« Sein Grinsen wurde breiter. »Also scheinst du meine nächtlichen Besuche in deiner Kammer gar nicht zu vermissen? Dabei hatte ich den Eindruck, sie hätten dich ganz besonders beglückt!« Anzüglich nestelte er an seinem Gürtel. Auch er trug eine leuchtende seidene Schecke, die wattiert war und seinen schlanken Leib freilich wesentlich kleidsamer umschloss. Dazu zweifarbige Schnabelschuhe aus Saffianleder wie die jüngsten Gecken. Fehlte nur noch, dass er auch die Gugel aufgesetzt hätte, die aus Schulterkragen und Kapuze mit langem Schwanz bestand. »Schade eigentlich! Denn ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, sie beizeiten wieder aufzunehmen.«
    »Weil du wieder Geld brauchst? Bemüh dich nicht! Denn diesmal hast du deine Rechnung ohne mich gemacht. Mir steht es bis hierher.« Eine knappe Handbewegung an Belas Gurgel, die alles besagte. »Ich habe genug von allem. Besonders aber von dir.«
    »So verstimmt? So bitter, an solch einem besonderen Tag? Und nicht einmal Lust auf niedliche kleine Enkelkinder, wie sie deinem Alter bestens anstehen würden?«
    Er hatte sie so fest gepackt, dass sie leise aufschrie. Tränen schossen in ihre Augen, aber sie gab nicht nach.
    »Und was ist mit dir, Großvater ? Du bist doch Jahre älter als ich!«
    »Aber kein altes, unfruchtbares Weib wie du, für das keiner mehr rechte Verwendung hat, sondern ein Mann«, gab er frech zurück. »Und damit Gottes leibhaftiges Ebenbild, ob es dir nun passt oder nicht!«
    Mit kräftiger Stimme fiel er in den Choral ein, der zum Abschluss der Zeremonie auf speziellen Wunsch der Braut vor dem Portal zu Ehren der Gottesmutter gesungen wurde.
     
    »Salve, Regina, mater misericordiae,
vita, dulcendo es spes nostra, salve.
Ad te clamamus, exsules filiis Evae.
Ad te suspiramus, gementes et flentes
in hac lacrimarum valle.
O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria …«
     
    Heilige Maria, Mutter

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