Phantasmen (German Edition)
saß.
Tyler stand plötzlich neben mir. Hatte er die Waffe aufgehoben?
Beide Jeeps hielten an. Aus jedem sprangen zwei Bewaffnete und hielten ihre Sturmgewehre im Anschlag.
»Bringen Sie mich zu meiner Schwester!«, rief ich ihnen entgegen.
Niemand antwortete.
Auch Tyler sagte nichts. Wartete ab.
Einer der Männer lief an uns vorbei, ich hörte seine scharrenden Schritte hinter meinem Rücken. »Waffe gesichert!«, brüllte er.
Ich warf Tyler einen dankbaren Seitenblick zu. Sein Gesicht war hart und bleich, ohne erkennbare Emotion. Verstand er denn nicht, dass ich das hier hatte tun müssen?
»Wir bleiben zusammen«, sagte er.
»Ich tu das nur für Emma.«
»Ich weiß.«
Die Männer nahmen uns in ihre Mitte und führten uns zu den Wagen.
APOKALYPSE
33.
Als die Maschine abhob, wurde mir die Endgültigkeit dieses Starts bewusst. Wir würden nicht zurückkehren, nicht nach Spanien, wahrscheinlich nicht mal nach Europa.
Meine Handgelenke waren mit Kabelbinder hinter meinem Rücken gefesselt, genau wie die von Tyler. Wir saßen auf unbequemen Plastiksitzen, die in zwei langen Reihen an die Seitenwände des hohen Laderaums geschraubt waren.
Der Innenraum der Antonov – der Flugzeugtyp stand in großen Lettern an der Außenseite – war ein einziges lang gestrecktes Parkdeck. Wir saßen im vorderen Teil, unmittelbar vor der Trennwand zum Cockpit. Uns gegenüber waren die vier Glas- und Metallsärge mit den Probanden aufgereiht. Sie waren mit Gurten und am Boden verschraubten Stahlblöcken fixiert, damit sie beim Start und bei der Landung nicht verrutschen konnten. Das Innere war beleuchtet, Havens Leute hatten die Systeme wieder aktiviert. Als wir zu unseren Plätzen geführt worden waren, hatte ich einen kurzen Blick durch eine der Scheiben werfen können. Der Proband lag ausgestreckt auf dem Rücken, das eingefallene Gesicht nach oben gewandt. Seine Augen waren geschlossen, aber ich hatte den Eindruck gehabt, dass sie sich unter den Lidern bewegten – ein hektisches, unkontrolliertes Zucken beider Augäpfel.
Emma saß zusammengesunken neben mir, auf dem letzten Sitz der Reihe. Sie war bewusstlos. Ich konnte sehen, wie gleichmäßig und ruhig sie atmete, und trotzdem war mir übel vor Angst. Einer von Havens Männern – ein hünenhafter Schotte, der behauptet hatte, Arzt zu sein, aber eher wie ein Clankrieger aus Braveheart aussah – hatte erklärt, er habe ihr ein Anästhetikum verabreicht, das sie für ein paar Stunden schlafen lassen würde. Sie sei erschöpft gewesen, ansonsten aber in gutem Zustand. Er hatte angeboten, unsere Schürfwunden zu versorgen, aber wir hatten abgelehnt.
Etwa dreißig Söldner saßen mit uns in der Maschine, ein Dutzend war freiwillig zurückgeblieben. Ich nahm an, dass es sich um Europäer gehandelt hatte, denen Haven in Anbetracht der Umstände freigestellt hatte, in ihrer Heimat zu bleiben. Die Männer an Bord waren zum größten Teil Amerikaner, das konnte ich hören, wenn einige von ihnen leise miteinander sprachen. Die meiste Zeit aber dösten sie auf ihren Sitzen und holten den Schlaf nach, den Haven ihnen zuletzt verweigert hatte.
In der Mitte des Laderaums parkten in einer langen Reihe zwei schwarze Lionheart-Geländewagen und die Lkw, mit denen die Probanden transportiert worden waren. Haven hatte befohlen, die vier Schlafkammern auszuladen, um sie besser sichern zu können. Die drei Männer, die zu ihrer Bewachung abkommandiert worden waren, standen zwischen den Probanden und hatten zugleich die Aufgabe, Tyler und mich im Auge zu behalten.
Haven selbst war kurz vor dem Start im Cockpit verschwunden und hatte das Metallschott hinter sich zugezogen. Der Arzt war der Einzige, der mit uns gesprochen hatte. Von ein paar anderen hatten wir nur knappe Befehle zu hören bekommen.
Immerhin: Meine Sorge, dass sie Emma etwas angetan hatten, war offenbar unbegründet gewesen. Ich war sicher, dass Haven sie befragt hatte – nach dem Laptop, nach ihren Begleitern, nach unseren Zielen –, aber allzu viel hatten sie aus ihr gewiss nicht herausbekommen. Emma war immun gegen Einschüchterungsversuche, weil sie keine Furcht empfand. Und Gott sei Dank sah es nicht so aus, als hätten sie ihr Schmerzen zugefügt.
»Wenn wir wirklich nach New York fliegen«, flüsterte Tyler neben mir, »dann ist das ein Himmelfahrtskommando. Du hast Almería gesehen. Kannst du dir vorstellen, was aus Manhattan geworden ist?«
»Mund halten!«, kommandierte einer der drei
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