Pharmakon
Kaffee aufzuschütten. Um acht Uhr dreißig ging er vor dem Gebäude der GYN-Associates ruhelos auf und ab und wartete darauf, daß die Praxis geöffnet würde. Sobald er Christine sah, drückte er auf den Klingelknopf.
»Hallo, Adam Schonberg.«
Adam fand es vorteilhaft, daß sie sich an seinen Namen erinnerte. Er zog seine dunkelblaue Krawatte zurecht und sagte mit dem ernsthaftesten Lächeln, das er zustande bringen konnte: »Ich war gerade in der Gegend und dachte, ich guck’ mal rein und laß mich über die neueste Durchschnittsleistung DJs beim Kricket informieren.«
»Er ist hervorragend«, sagte Christine. »Besser noch, als selbst ich erwartet hatte. Letzten Freitag hat er doch tatsächlich…«
Adam schaltete ab, während er seine Gedanken sammelte. Als Christine einmal kurz Atem holte, sagte er: »Wie stehen denn die Chancen, daß Sie mich bei Dr. Vandermer vorlassen können?«
»Dr. Vandermer ist in der Julian-Klinik«, sagte sie.
»Er ist bereits weg?«
»Ja. Die ganze Praxis ist eine einzige Katastrophe. Gestern war sein letzter Tag hier, obgleich er noch vor kurzem Hunderte Patienten für die nächsten Monate angenommen hat. Ich werde von jetzt bis Weihnachten am Telefon hängen.«
»Das war also nicht erwartet?« fragte Adam.
»Kaum«, sagte Christine. »Er kam von seiner Kreuzfahrt zurück und teilte Dr. Stens und Dr. Baumgarten mit, daß er ginge. Er sagte, er habe die Nase voll vom privaten Praktizieren.«
Das war genau, was Percy von Dr. Foley erzählt hatte, dachte Adam, als sich Christine abwandte, um das Telefon zu beantworten.
»Welch ein Durcheinander«, sagte sie, als sie aufgelegt hatte. »Und alle Patienten sind mir böse.«
»Hat sich Dr. Vandermer merkwürdig verhalten, als er von der Kreuzfahrt zurückkam?« fragte Adam.
»Das kann man wohl sagen«, lachte Christine. »Nichts, was wir hier machten, war ihm gut genug. Er hat uns alle wahnsinnig gemacht, auch wenn er in gewisser Hinsicht taktvoller war. Vorher war er immer ziemlich brüsk.«
Adam erinnerte sich an sein eigenes Kennenlernen des Arztes und fand, »brüsk« sei eine sehr wohlwollende Beschreibung seiner Haltung.
»Die seltsamste Sache an der ganzen Angelegenheit«, fuhr Christine fort, »ist, daß Dr. Vandermers früherer Partner, Dr. Foley, das gleiche gemacht hat. Und damals hat es Dr. Vandermer fürchterlich wütend gemacht. Es war aber nicht so schlimm, als Dr. Foley gegangen ist, weil damals noch vier Ärzte hier waren, die die anderen Patienten übernehmen konnten. Aber jetzt sind nur noch zwei da, weil der arme Dr. Smyth mit seiner merkwürdigen Krankheit immer noch im Krankenhaus liegt.«
»Was für eine Krankheit hat er denn?« fragte Adam.
»Ich weiß den Namen nicht«, sagte sie. »Es ist irgendein Problem mit seinen Nerven. Ich erinnere mich noch, wie es angefangen hat.« Sie senkte die Stimme, als ob das, was sie sagen wollte, ein Geheimnis sei. »In einem Augenblick war er ganz normal und im nächsten schnitt er seltsame Gesichter. Es war grotesk. Und sehr peinlich.«
Eine Frau betrat die Praxis und kam zum Empfangstisch, und Adam trat einen Schritt zurück. Er hatte den Eindruck, Smyths Problem sei dem Fall von tardiver Dyskinesie ähnlich, wie er ihn in seiner Fallstudie im Medizinischen Zentrum erörtert hatte. In diesem Fall war eine unerwartete Reaktion auf ein Beruhigungsmittel die Ursache gewesen.
»Wissen Sie, ob Dr. Smyth irgendwelche psychiatrischen Probleme hatte?« fragte Adam, sobald die Patientin im Wartezimmer Platz genommen hatte.
»Ich glaube nicht«, sagte Christine. »Er war einer der nettesten jungen Männer. Sah ein bißchen wie Sie aus. Dunkel, lockiges Haar.«
»In welchem Krankenhaus ist er denn?« fragte Adam.
»Er wurde in die Universitätsklinik eingewiesen, ich habe aber gehört, wie eine der Krankenschwestern gesagt hat, er werde zur Julian-Klinik transferiert.«
Wieder klingelte das Telefon, und Christine nahm den Hörer ab.
»Eine letzte Frage. Sind Foley und Smyth auch wie Dr. Vandermer auf eine Kreuzfahrt-Konferenz gegangen?«
»Ja, ich glaube, beide«, sagte Christine mit dem Hörer in der Hand. »Frauenarztpraxis, einen Augenblick bitte. Würden Sie gerne Dr. Stens oder Dr. Baumgarten sprechen?«
»Heute nicht«, sagte Adam. »Ein anderes Mal, wenn es nicht mehr so hektisch ist. Schöne Grüße an DJ.«
Christine machte Adam das Daumen-hoch-Zeichen und drückte auf den blinkenden Knopf auf dem Telefon.
Als Adam die Praxis verließ, hatte er den
Weitere Kostenlose Bücher