Pharmakon
zu heilen, wenn sie schon erkrankt sind.«
Adam bemerkte, daß Vandermers Stimme eine merkwürdig tonlose Modulation hatte, als ob er etwas auswendig Gelerntes aufsagte. »Ich wollte mit Ihnen über Jennifer reden«, sagte er.
»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte Dr. Vandermer. »Ich habe den Genetiker gebeten vorbeizuschauen.«
»Schön. Aber zuerst möchte ich über das Pregdolen mit Ihnen reden.«
»Hat es der Übelkeit Ihrer Frau Abhilfe geschaffen?« fragte Dr. Vandermer.
»Sie glaubt das«, sagte Adam. »Ich habe aber den Verdacht, es handelt sich einfach um einen Placebo-Effekt. Ich bin völlig überrascht, daß Sie es ihr gegeben haben.«
»Es gibt eine Zahl verschiedener Präparate auf dem Markt«, sagte Dr. Vandermer, »aber ich glaube, Pregdolen ist das beste. Normalerweise verschreibe ich nicht gerne Medikamente gegen Morgenübelkeit, aber bei Ihrer Frau dauert das doch zu lange an.«
»Weshalb aber Pregdolen?« sagte Adam taktvoll. »Besonders nach dem negativen Bericht im New England Journal.«
»Das war eine schlecht durchgeführte Studie«, sagte Dr. Vandermer. »Sie haben nicht die gebotenen Kontrollen gemacht.«
Nicht willens, Dr. Vandermer direkt zu widersprechen, sagte Adam schließlich: »Aber Sie selbst haben mir beim letztenmal, als wir miteinander sprachen, gesagt, Pregdolen sei gefährlich. Wieso haben Sie Ihre Meinung geändert?«
Dr. Vandermer schüttelte, wie vor ein Rätsel gestellt, den Kopf. »Ich habe nie behauptet, das Medikament sei gefährlich. Ich benutze es schon seit Jahren.«
»Ich erinnere mich ganz deutlich…« begann Adam, als zwei weitere Ärzte das Wartezimmer betraten. Einer war ein großer, dünner Mann mit grauem Haar. Er wurde als Dr. Benjamin Starr, der Genetiker der Julian-Klinik, vorgestellt.
»Dr. Starr und ich haben den Fall Ihrer Frau gerade heute morgen noch besprochen«, sagte Dr. Vandermer.
»Das stimmt«, sagte Dr. Starr und ließ eine detaillierte Beschreibung des Falles vom Stapel. Seine Stimme hatte die gleiche tonlose Modulation wie die Vandermers, was bei Adam die Frage aufwarf, ob sich alle Ärzte der Julian-Klinik zu Tode arbeiteten.
Adam versuchte zu verstehen, was Starr sagte, der Mann schien jedoch absichtlich über Adams Verständnismöglichkeit hinauszugehen. Adam hörte sich die Gründe an, die man ihm für Jennifers Fruchtwasseruntersuchung gab, entschied sich dann jedoch, er verschwende seine Zeit. Es war, als ob sowohl Vandermer wie auch Starr ihn zu verwirren suchten. Sobald er eine Gelegenheit fand, sagte Adam, er müsse gehen. Dr. Vandermer bot sich an, ihn in die Cafeteria zum Essen einzuladen, aber Adam bestand darauf, er müsse nun wirklich gehen.
Als er den Korridor hinunterging, kam Adam zu der Einsicht, Jennifer habe recht. Dr. Vandermer war ein veränderter Mann, und das machte Adam nervös. Ja, die ganze Klinik schlug einen falschen Ton an. Wenn er die wundervoll eingerichteten Zimmer betrachtete, konnte er sich vorstellen, warum die Julian-Klinik eine solche Anziehungskraft ausübte. Sie erschien wie die ideale Krankenhausumgebung. Aber zur gleichen Zeit war sie fast zu hübsch und nach Adams Ansicht ein wenig unheimlich.
Als er wieder im Auto war, zögerte Adam einen Augenblick, bevor er den Motor startete. In seiner Erinnerung gab es keinen Zweifel, daß Vandermer Pregdolen ursprünglich als gefährlich bezeichnet hatte; aber auch diese ganze superwissenschaftliche Rhetorik, Jennifer brauche eine Amniocentesis, beunruhigte ihn. Solange seine Frau bei ihren Eltern abgesondert war, waren ihm die Hände gebunden. Nur in bezug auf eine Sache war er sich völlig sicher: Er wollte nicht, daß Jennifer Pregdolen nehme, was gleichzeitig bedeutete, daß er nicht wollte, daß sie weiterhin bei Vandermer in Behandlung bleibe. Das Problem bestand darin, daß sie offensichtlich Vandermer vertraute und den Arzt nicht wechseln wollte.
Während er auf die Straße einbog, erkannte Adam, Jennifer habe in zweierlei Hinsicht recht: er war kein Arzt und er hatte keine Ahnung von Geburtshilfe. Es wurde ihm klar, daß er sich dem Thema, wenn er Jennifers Meinung ändern wollte, besser intensiver widmen müsse.
Da es innerhalb von mehreren Straßenzügen am Universitätskrankenhaus keinen Parkplatz gab, fuhr Adam den Buick in die Parkgarage des Krankenhauses. Nachdem er einen freien Platz gefunden hatte, ging er zum Medizinischen Zentrum. Der irische Bursche an der Information erkannte ihn wieder und lieh ihm einen weißen
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