Philadelphia Blues
McDermott, heute Morgen wurde etwas für Sie abgegeben“, riss ihn die Frau hinter der Rezeption aus seinen Grübeleien und reichte ihm einen dicken Umschlag.
„Danke“, sagte Colin verdutzt und sah fragend zu Adrian, der aber auch nur die Schultern zuckte. Er drehte den Umschlag herum. „Kein Absender“, meinte er, während sie das Hotel verließen und sich zum Parkplatz aufmachten. „Merkwürdig.“
„Mister McDermott?“
Colin sah auf. Ein älterer Mann trat auf ihn zu. Blond, groß und in einen schlecht sitzenden Anzug gekleidet. „Kennen wir uns?“
„Ich bin Matthew Porter, Gwens Anwalt und...“
In Colin setzte etwas aus, als der Mann abbrach und rot anlief. Er kannte diese Art von Blick und bevor Adrian ihn davon abhalten konnte, hatte er ausgeholt und Matthew Porter eine verpasst.
„Colin!“
Adrian fluchte und stellte sich zwischen ihn und jenem Mann, der Kilian in ein Flugzeug gesetzt hatte, ohne sich darum zu kümmern, dass sein Neffe auch wirklich gesund und munter in den USA ankam. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, hatte Gwen mit diesem Typen offenbar eine Affäre oder Beziehung gehabt. Colin sah rot.
„Sie mieses Arschloch. Kilian ist gerade mal fünfzehn. Was haben Sie sich nur dabei gedacht, ein Kind in ein Flugzeug zu setzen? Er hätte sonst wo landen können, verfickte Scheiße nochmal.“
„Es tut mir leid. Ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte“, versuchte sich Porter rauszureden und wich erschrocken zurück, als jetzt auch Adrian ihn wütend ansah.
„Schon mal was von der Erfindung namens Telefon gehört?“, zischte der Anwalt, half Matthew Porter aber trotzdem auf die Füße. „Was für ein Anwalt sind Sie eigentlich, wenn Sie es nicht mal auf die Reihe kriegen, sich darum zu kümmern, dass ein Teenager vernünftig in die Staaten kommt? Und mit vernünftig meine ich nicht, ihn ohne Begleitung und nur auf gut Glück in ein Flugzeug zu setzen.“
„Das hier ist Irland, nicht Ihre paranoiden Staaten!“, begehrte Porter auf und hielt sich die Nase. „Kein Schwein hat sich dafür interessiert, was aus Kilian wird, weil seine Großeltern es nicht einmal für nötig hielten, das Jugendamt darüber zu informieren, dass sie ihn nicht aufnehmen wollen. Sie wollten ihn einfach nur loswerden.“ Porter schüttelte den Kopf. „Ich habe dafür gesorgt, dass er so schnell wie möglich zu Ihnen auf den Weg geschickt wird, denn wenn er erstmal in einem Heim gelandet wäre, hätten Sie ihn da die nächste Zeit nicht rausbekommen.“ Der Anwalt sah zu Adrian. „Sie sind auch Anwalt. Sie wissen doch, wie das läuft, sobald sich die Behörden einschalten.“
Adrian sah ihn an. „Da hat er leider nicht ganz Unrecht, Colin.“
Wie bitte? Colin runzelte die Stirn. „Was soll das heißen?“
„Kilian wäre im Heim gelandet und du hättest dich erstmal durch die Mühlen der Bürokratie kämpfen müssen, um ihn da rauszuholen. Es ist einfacher, die Vormundschaft für dich durchzuboxen, wo er schon bei dir ist, als wenn wir aus Irland hätten holen müssen.“ Adrian seufzte. „Das hätte Monate dauern können.“
Colin verbot sich genauer darüber nachzudenken, was Kilian in der Zeit alles hätte erleben können. Versöhnt war er allerdings nicht, denn als Anwalt hätte Matthew Porter mehr tun müssen. „Wieso haben Sie nicht wenigstens versucht, mich irgendwie zu erreichen?“
„Sie gehen mit Ihren persönlichen Daten nicht gerade hausieren“, konterte Porter seufzend und kramte in seiner Jacke, um eine Packung Taschentücher herauszuholen. „Es hat einige Tage gedauert, bis ich Ihre Adresse in den Händen hielt, von einer Telefonnummer gar nicht zu reden. Hätten Ihre Eltern nicht alles verbrannt, wäre es leichter gewesen. So musste ich mich darauf verlassen, dass die Adresse stimmt und habe Kilian ein Ticket besorgt.“ Porter wischte sich das Blut vom Kinn. „Ihrer heftigen Reaktion nach zu urteilen, ist mein Fax wohl nicht angekommen.“
„Welches Fax?“, fragte Adrian verdutzt.
Porter sah den Anwalt an. „Ich habe ein Fax an das Jugendamt von Philadelphia geschickt, um sicherzugehen, dass die Leute Bescheid wissen, dass Kilian auf dem Weg ist. Ich bat darum, den Jungen von Flughafen abzuholen und zu seinem Onkel zu bringen. Ich konnte per Telefon niemanden erreichen, daher das Fax.“
Adrian sah ihn wieder an. „Weißt du was von einem Fax?“ Colin schüttelte den Kopf und Adrian zog ein finsteres Gesicht. „Entschuldigt mich, ich muss
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