Philippas verkehrte Welt
bisher.«
»Ts«, machte Mariel. »Und das soll ich dir glauben?«
Die Unterstellung, dass ich ihr ein Lügenmärchen auftischte, gab mir den Rest. Wie zu Stein erstarrt saà ich da, presste mir in einer seltsamen Krampfhaltung das Handy ans Ohr und fühlte mich Mariels Gemeinheiten hilflos ausgeliefert.
»Ich wette, das erzählst du nur, weil du neidisch auf Arletta, Tiffy und Neomi bist«, musste ich mir jetzt von ihr anhören. »Aber gib dir keine Mühe. Du bist einfach nicht wie sie. Und ganz egal, was du tust oder behauptest, du wirst auch nie so sein. Dein Pech.«
Mein ⦠Pech?
»Du ⦠kannst ⦠mich ⦠mal!«, presste ich hervor. Dann schnellte ich vom Bett hoch, stieà einen Tarzanschrei aus und pfefferte das Handy mit voller Wucht gegen die Wand, was mir in diesem Fall effektiver zu sein schien, als es einfach auszuschalten.
Nicht einmal einen Atemzug später flog meine Zimmertür auf und Mama stand â Schreck und Sorge zu gleichen Teilen ins Gesicht geschrieben â auf der Schwelle.
»Alles in Ordnung?«
»Nein«, krächzte ich. Mein Körper zitterte, als ob er unter einem Dauerstromschlag stünde, und die Tränen liefen mir wie Sturzbäche über die Wangen.
»Oje, mein Schneckchen.« Meine Mutter drückte die Tür hinter sich zu und war mit wenigen Schritten bei mir. Sanft zog sie mich in ihre Arme. »Das ist jetzt aber nicht, weil wir von hier wegziehen, oder?«, fragte sie vorsichtig.
»Neiheihein, es ist wegen Mariel«, schluchzte ich und lieà meinen Kopf gegen ihre Schulter sinken.
Mama hielt mich sanft umschlungen und streichelte mir schweigend den Rücken hinauf und hinunter, bis ich mich allmählich wieder beruhigte. Das Schöne war: Ich brauchte ihr nichts zu erklären, sie spürte einfach, was in mir vorging, und sie konnte sich wohl auch so â zumindest ungefähr â denken, was passiert war.
»Lauf ihr nicht hinterher«, sagte sie nach einer Weile, während ihr Daumen sanft über meinen Nacken strich. »Sie muss von sich aus auf dich zukommen.«
»Und wenn sie es nicht tut?«
»Darüber würde ich mir jetzt noch nicht den Kopf zerbrechen«, erwiderte meine Mutter. »Im Moment heiÃt die Devise: Abwarten und Tee trinken.«
»Oder umziehen«, hauchte ich.
»Ja«, sagte Mama. »Ich weiÃ, du hörst es nicht gern, aber vielleicht ist es in der Situation, in der ihr beiden gerade steckt, gar nicht schlecht. Manchmal braucht man ein bisschen frischen Wind um die Nase, um altgewohnte und allzu eingefahrene Dinge wieder ins rechte Licht zu rücken.«
»Aber Limette«, brach es aus mir hervor, und neue Tränen schossen mir in die Augen.
»Glaubst du, mir fällt es leicht, sie hier zurückzulassen?«, entgegnete Mama und drückte mich abermals. »Aber ich habe dir doch versprochen, dass wir eine Lösung finden werden.«
Nach dem Abendessen packte ich dann doch noch ein paar meiner Sachen in den Karton, den meine Mutter mir nach unserem Gespräch ins Zimmer gestellt hatte. Ihre Worte und ihre Nähe hatten mir gutgetan. Ich wusste jetzt, dass mein Vater und sie mir nicht in böser Absicht aus dem Weg gegangen waren, sondern weil sie mich in Ruhe lassen wollten. Und sie hatten auch Josi und Krister dazu angehalten, mir nicht auf den Senkel zu gehen.
Limette hatte ihren Ausgang im Innenhof inzwischen beendet und sich wieder auf ihrem Stammplatz zwischen meinen Bettkissen eingefunden.
Ich warf noch einen letzten Blick in die Kiste, in der sich meine Lieblingsklamotten, ein paar Bücher, Musik- CD s und allerlei lieb gewonnener Kleinkram befanden, dann klappte ich sie zu, pappte einen Streifen Klebeband darüber und schrieb meinen Namen darauf.
Philippa
Ich beschloss, ab sofort zu diesem Namen zu stehen. Phily hatte Mariel mich genannt. Aber Mariel war gestern, und was nützte es, ein neues Leben zu beginnen, wenn man das alte nicht richtig beendete? Zumindest die Teile davon, die Mariel betrafen.
Von hier weg wollte ich dennoch nicht. Ich mochte die Wohnung, den Innenhof und die Kastanie und mein Zimmer mit dem Dachfenster zum Himmel hinauf einfach zu sehr. Ganz sicher war es im Gästehaus der von Helsingschen Villa hundertmal luxuriöser, aber so schön wie in unserer Hinterhofwohnung würde es garantiert nirgendwo auf der Welt sein.
»Gut, dass du noch ein bisschen
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