Philippas verkehrte Welt
Kartons bereits gepackt, und Josi beschwerte sich nun darüber, dass sie ihr Playmobil-Puppenhaus nicht als Ganzes mitnehmen durfte, sondern komplett auseinanderbauen sollte. Währenddessen griff Krister die Frage nach den anderen Fahrten, die mein Vater ihm heute Vormittag nicht beantwortet hatte, noch einmal auf.
»Ach, das kann alles Mögliche sein«, erläuterte Papa ihm jetzt. »Zum Beispiel Dinge von einem Ort zum nächsten transportieren.«
»Was für Dinge?«, wollte Josefine wissen.
»GröÃere Einkäufe vielleicht, Kleider, die in der Reinigung waren, Blumengebinde oder Pflanzen für den Garten«, erwiderte Papa.
»Also auch solche groÃen Sachen?«, vergewisserte sich meine Schwester und riss ihre Arme so weit auseinander, dass ihr Puppenhaus perfekt dazwischenpasste.
Ich senkte hastig den Kopf, damit niemand bemerkte, dass ich in mich hineingrinste, und notierte in Gedanken einen weiteren Punkt auf meiner Notfallliste.
Josefine unbedingt davon überzeugen, dass wir Limette behalten müssen (eine bessere Unterstützerin gibt es nicht!!!)
»Philippa, willst du nicht endlich mal was essen?«, ermahnte meine Mutter mich. »Heute Morgen hast du schon nichts angerührt.«
Ich sah auf meinen aufgefüllten Teller und zuckte mit den Schultern.
»Ich habe keinen Hunger«, sagte ich.
Mein Magen fühlte sich wie tot an. Wahrscheinlich hatte er einfach vergessen, wozu er vorgesehen war.
»Lass sie doch«, meinte Papa. »Früher oder später wird ihr Appetit schon zurückkommen.« Er schenkte mir ein sanftes Lächeln. Es war zärtlich und gleichzeitig bittend, doch so leicht wollte ich mich nicht bestechen lassen und daher wich ich seinem Blick aus.
Punkt 9: Hungerstreik (nur wenn alle Stricke reiÃen), notierte ich im Hinterkopf.
»Hast du dir denn überlegt, was du mitnehmen möchtest?«, fragte meine Mutter.
»Ja«, sagte ich. »Limette. An allem anderen liegt mir nichts.«
Meine Eltern schwiegen.
»Du weiÃt, dass das nicht geht«, sagte Mama schlieÃlich.
Ja, das wusste ich, aber einen Versuch war es trotzdem wert gewesen.
»Und wann ziehen wir los?«, fragte Josefine, die ihren Teller mittlerweile leer gegessen hatte.
»Heute Abend lade ich eure Kartons ins Auto â¦Â«
Krister lieà Papa nicht ausreden. »Welches Auto?«, fuhr er dazwischen.
Wir hatten nämlich kein eigenes. Meine Mutter erledigte die meisten Einkäufe zu Fuà oder mit der U-Bahn und die Getränkekisten transportierte Papa einmal in der Woche im Taxi.
»Die von Helsings besitzen einen kleinen Transporter«, erklärte er jetzt meinem Bruder. »Den durfte ich mir für unseren Umzug ausleihen.«
»Was?«, stieà ich fassungslos hervor. »Hast du den Wagen gestern Nacht etwa gleich mitgebracht?«
Er sah mir fest in die Augen. »Frau von Helsing meinte, es sei so am praktischsten.«
Frau von Helsing! Frau von Helsing! â Eigentlich war ich die Friedfertigkeit in Person, aber hier stieà ich nun ganz deutlich an meine Grenzen. Ich konnte es nicht ändern, aber mir sträubten sich bereits die Nackenhaare, wenn ich den Namen nur hörte. Diese Frau hatte meinen Vater ja regelrecht um den Finger gewickelt!
»Und wenn wir uns dagegen entschieden hätten?«, fragte ich. »Wenn Krister und Josi auch lieber hier wohnen geblieben wären?«
»Dann hätte ich den Wagen eben wieder zurückgebracht«, sagte Papa.
Ich schüttelte den Kopf und meine Stimme klang nun ziemlich krächzig. »Du hast gar nicht damit gerechnet, dass sie und Mama sich dagegen entscheiden, stimmtâs?«
Mein Vater zögerte einen Moment mit seiner Antwort.
»Ehrlich gesagt, hatte ich sogar gehofft, dass die Entscheidung einstimmig ausfallen würde«, sagte er matt.
Ich schob das Kinn vor und sah ihn trotzig an. Zum schwarzen Schaf wollte ich mich nun wirklich nicht abstempeln lassen. Ich hatte nur meinen Standpunkt und wünschte mir so sehr, dass Papa ihn respektierte. AuÃerdem ging es hier nicht nur um Limette, sondern auch darum, dass mir die ganze Sache immer weniger geheuer war. Je mehr Details wir erfuhren, desto mehr kam mir diese Geschichte wie eingefädelt vor. Vor allem aber ging es mir eindeutig zu sehr Hals über Kopf.
In den darauffolgenden Stunden passierte nicht viel, auÃer dass Mama, Papa, Krister und Josefine in der Wohnung
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