Philippas verkehrte Welt
am Ende des Winters bereits mit kurzen Ãrmeln und Flip-Flops herumlief, spürten wir, dass wir beide aus derselben Welt kamen und offenbar auf einem fremden Planeten gelandet waren.
»Lässt Frau von Helsing alle ihre Angestellten hier wohnen?«, fragte ich.
»Nein.«
»Aber warum �«
»Nur den Koch und den Fahrer«, antwortete Nneka, bevor ich meine Frage fertig formuliert hatte.
»Und wieso?«
»Weil sie die jeden Tag braucht.«
»Hm.« Irgendwie leuchtete mir das nicht ein. Eine Haushälterin beispielsweise oder einen Pförtner musste man doch auch täglich um sich haben.
»Die Pförtner arbeiten im Schichtdienst«, sagte Nneka, als hätte sie meine Gedanken erraten. »Und die Haushälterin hat am Wochenende frei. Es sei denn, die von Helsings geben ein Fest. Sie verdient allerdings auch weniger als dein Vater.«
»Woher weiÃt du das alles?«, wunderte ich mich, und wieder zuckte Nneka mit den Schultern. »Von Celia natürlich.«
»Die scheint ja eine echte Plaudertasche zu sein«, sagte ich.
»Nee, das ist sie eigentlich nicht.« Nneka fuhr sich über die Nase. »Es hat andere Gründe, weshalb sie mir solche Dinge erzählt«, setzte sie leise seufzend hinzu.
»Und welche?«
Nneka lieà den Kopf in den Nacken fallen und stieà einen Schwall Luft aus. »Du bist ganz schön neugierig, weiÃt du das?«
»Du aber auch«, sagte ich und grinste. »Sonst wärst du ja jetzt nicht hier.«
Nneka grinste kurz zurück, dann musterte sie mich nachdenklich. »Du musst allerdings nicht alles wissen. Jedenfalls nicht gleich am ersten Tag.«
Na, danke schön!, dachte ich ein wenig verärgert. Erst macht sie mich neugierig und im nächsten Moment kneift sie.
»Interessiert dich eigentlich gar nicht, was mit dem vorherigen Fahrer passiert ist?«, fragte sie jetzt.
Betroffen sah ich sie an. Komisch, dass ich daran noch überhaupt keinen Gedanken verschwendet hatte. Dabei war es doch so naheliegend.
»Er hatte hoffentlich keinen Unfall!«, rief ich erschrocken.
»Keine Sorge. Ein Unfall war es nicht«, entgegnete Nneka und machte einen Schritt rückwärts auf den Flur hinaus. »Nun muss ich aber wirklich hoch, sonst wird meine Mutter sauer.«
»Hast du nicht gesagt, dass sie drüben in der Villa ist und das Essen vorbereitet?«, gab ich zurück.
Nneka nickte. »Aber sie ruft alle zehn Minuten an, um zu kontrollieren, ob ich in der Wohnung bin.«
»Glaub ich dir nicht«, sagte ich. Ich wollte keinen Streit, aber jetzt ging Nneka mir mit ihrer blöden Geheimnistuerei doch ganz schön auf die Nerven.
»Glaub, was du willst«, erwiderte sie knapp und verschwand um die Ecke.
Ich hörte nur noch das Flapp-Flapp ihrer Flip-Flops auf den Fliesen im Flur, das sich eilig in Richtung Wohnungstür entfernte.
Nneka war ziemlich merkwürdig, und ich hatte mich noch nicht entschieden, ob ich sie mochte oder nicht. Ganz anders verhielt es sich mit Celia. Bei ihr war mir auf den ersten Blick klar, dass ich sie nicht leiden konnte.
Als Mama, Papa, Krister, Josefine und ich um kurz nach sechs von der Haushälterin namens Evelyn in einen groÃen, mit antiken Möbeln eingerichteten Salon geführt wurden, saà Celia dort vor einer Spiegelwand an einem glänzenden weiÃen Flügel und spielte irgendwas Klassisches. Natürlich wusste ich nicht, dass es Celia war, denn niemand hatte sie uns vorgestellt, ich dachte es mir einfach nur. Und wie sich wenig später herausstellte, lag ich vollkommen richtig mit meiner Annahme.
Ich fand Celia ziemlich dünn und auch ein wenig blass. Sie trug ihr glattes blondes Haar als Pagenschnitt, der im Nacken etwas kürzer war und bei jeder ihrer Bewegungen dramatisch vor- und zurückschwang. Ihre langen Finger krabbelten über die Tasten wie Spinnenbeine und ihr Oberkörper wiegte sich im Takt der Melodie. Ich kannte das Stück nicht, klassische Musik fand ich entweder zu nervenaufreibend oder zu langweilig, aber dieses Lied war eigentlich ganz schön.
Ich versuchte, Celia nicht anzustarren. Ohne Frage war sie tausendmal schrecklicher als Arletta, Tiffany und Neomi zusammen. Die drei hielten sich nämlich nur für etwas Besseres, Celia dagegen war es und sie zeigte es mit jeder einzelnen ihrer angeberischen Gesten.
Meine Gedanken wanderten zu Mariel und ein schmerzhafter Stich
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