Philippas verkehrte Welt
uns. Nneka hing ihren Gedanken nach, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Irgendwann hielt ich die Stille nicht mehr aus. Ich räusperte mich und fragte:
»Und seit wann wohnt ihr hier in diesem Gästehaus?«
»Seit ungefähr drei Jahren«, antwortete Nneka. »Frau von Helsing hatte eine Zeitungsanzeige aufgegeben. Eigentlich suchte sie jemanden für den Garten, aber dann wurde ihr Koch krank, und so hat sich das alles ergeben.«
»Aber warum lässt sie euch hier wohnen?«, hakte ich noch einmal nach. »Ich meine, es wäre doch eigentlich kein Problem, wenn deine Mutter jeden Tag hierherfahren müsste, oder?«
»Frau von Helsing wollte es so«, gab Nneka zurück. »Sie wollte, dass wir hier wohnen, dass Ayo und ich auf dieselbe Schule gehen wie Celia und dass meine Mum sie hin und wieder in die Oper und ins Theater begleitet.«
Ich staunte nicht schlecht. »Auf welche Schule geht Celia denn?«
Nneka verdrehte die Augen. »Kannst du dir das nicht denken?«
Klar. »Wahrscheinlich auf eine Privatschule.«
»Genau.«
»Könnt ihr das überhaupt bezahlen?«, platzte ich heraus. »Privatschulen kosten doch eine Menge Geld, oder?«
»Wir bezahlen es ja auch nicht«, erwiderte Nneka seufzend. »Sondern Frau von Helsing.«
O wow! »Das ist aber groÃzügig!«
»Ja, das ist es«, brummte Nneka. Sie lieà ihre Knie los und sprang vom Sofa hoch. »Und deshalb müssen wir dankbar sein, sagt meine Mum. Bin ich aber nicht«, fügte sie trotzig hinzu.
»Und wieso nicht?«
»Weil sie es nicht für Ayo macht oder für mich, sondern einzig und allein für Celia.«
»Wie kommst du denn da drauf?«
»Ganz einfach.« Nneka stemmte die Hände auf ihre Hüften und schnaubte laut, bevor sie zu ihrer Erklärung ansetzte. »Celia ist ein Kotzbrocken. Es gibt weit und breit niemanden, der sie mag. Weder in dieser blöden Schule noch in der Nachbarschaft. Frau von Helsing lässt drei- oder viermal im Jahr eine Party für sie steigen, lädt Zauberer ein oder Artisten. Im letzten Sommer war sogar irgend so eine berühmte Band hier und hat ein Privatkonzert gegeben. Celias Mutter glaubt nämlich, dass man alles kaufen kann. Doch da irrt sie sich. Leider hat meine Mum das noch nicht begriffen und deshalb streiten wir ziemlich oft. Sie versteht einfach nicht, dass ich nicht mit Celia befreundet sein will. Aber vielleicht hat Frau von Helsing mit dir ja mehr Glück und ich bin endlich erlöst.«
Plötzlich ergab alles einen Sinn.
Frau von Helsing hatte gar keinen neuen Fahrer gesucht, sondern eine Freundin für Celia. Deshalb hatte sie meinen Vater auf ihrer ersten Tour so intensiv ausgefragt und nur darum hatte sie ihn überhaupt eingestellt. â Meinetwegen! Womöglich hatte sie sogar unsere Adresse ausfindig gemacht und mich beobachten lassen. Reiche Leute wie sie konnten sich die besten Privatdetektive leisten und sich jede Art von Informationen verschaffen. Verdammt noch mal, mein Gefühl hatte mich also nicht getäuscht!
Inzwischen war es kurz nach drei. Nneka war wieder nach oben in ihre Wohnung verschwunden und ich war mit den kreuz und quer in meinem Kopf umherwirbelnden Gedanken und dem Achterbahngefühl in meinem Bauch allein zurückgeblieben. Gut so! Das, was gerade in mir vorging, hätte ich ohnehin nur mit Mariel teilen können â wenn sie noch meine beste Freundin gewesen wäre. Und was Nneka anging: Die dachte sich sowieso ihren Teil. Ob unwissentlich oder mit voller Absicht sei mal dahingestellt, auf jeden Fall hatte sie mir auf die Sprünge geholfen.
Philippa, du gefällst mir. â Ha! Wahrscheinlich wusste Frau von Helsing das schon seit einiger Zeit. Sonst hätte sie mich ja wohl kaum ausgesucht. â Stopp, Philippa. Hatte sie das wirklich? Oder steigerte ich mich da gerade in etwas hinein? Litt ich womöglich bereits unter Verfolgungswahn?
Ich schloss die Augen und biss mir auf die Lippen. Jetzt nur nicht durchdrehen. Ruhe bewahren. Nachdenken. Mit meinen Verdächtigungen zu Mama und Papa zu gehen, wäre natürlich eine Möglichkeit, hatte allerdings wenig Sinn. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie mich auf der Stelle für verrückt erklären würden und mir vielleicht sogar vorwarfen, dass ich mir das nur ausgedacht hätte, um sie dazu zu bewegen, in die MarillenstraÃe
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