Philippas verkehrte Welt
selben Moment brach Jona Schmiede, der Mädchenschwarm aus meiner Klasse, vor meinen FüÃen zusammen.
»Oh, ScheiÃe!«, brüllte ich. »Hast du dir wehgetan?«
Anstelle einer Antwort kam von Jona nur Stöhnen.
»Es tut mir leid, es tut mir leid«, jammerte ich. »Papa, ich glaube, du musst einen Krankenwagen rufen.«
»Quatsch«, kam es nun von Jona. »Ich bin in Ordnung.« Er rappelte sich auf, fuhr mit den Handflächen über seine Jacke und grinste schief. »Es war nur der Schreck, ansonsten fehlt mir nichts.«
Ich starrte auf das Blut an seiner Jacke und das Loch in seiner Jeans direkt über dem Knie und stammelte: »Das kann nicht sein.«
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Mariel, die mit stur geradeaus gerichtetem Blick an uns vorbeimarschierte und keine Miene verzog.
Inzwischen war auch mein Vater ausgestiegen. Als er sah, dass Jona stehen konnte, begutachtete er erst mal die Autotür. »Lackschaden«, brummte er. »Und das gleich am ersten Tag.« Zornesröte breitete sich auf seiner Stirn aus. »Verdammt, Philippa, konntest du nicht aufpassen!«
»Es tut mir leid«, sagte ich noch einmal und zu Jona: »Du blutest.«
»Wo?«
»An deiner Hand. Ãhm ⦠du hast sie an deiner Jacke abgewischt. AuÃerdem ist deine Hose eingerissen.«
Jona schaute an sich herab.
»Och, das ist nicht so schlimm«, meinte er, während er seine Handflächen betrachtete. »Nur ein bisschen aufgeschürft. Und die Hose gehört sowieso schon zum alten Eisen.«
Ich sah ihn an und nickte, aber nicht wie ein Mensch, sondern eher wie ein Roboter. »Du solltest sie besser auswaschen.«
»Was? Die Hose?« Jona schüttelte den Kopf. »Das lohnt sich nicht mehr.«
»Doch nicht die Hose«, erwiderte ich. »Deine Hände.«
»Ach so«, sagte Jona, und obwohl das alles eigentlich gar nicht lustig war, mussten wir plötzlich beide lachen.
»Kann man Hände auswaschen?«, brachte er mühsam hervor. »Das hab ich nicht gewusst. Ehrlich nicht.«
»Ach, du«, gluckste ich. »Du bist ja vielleicht â¦Â«
»Was?«
»Na ja ⦠ulkig.«
»Also ich finde hier überhaupt nichts ulkig«, drang die aufgebrachte Stimme meines Vaters in mein Ohr. »Wie soll ich das, bitte schön, Frau von Helsing erklären?«
Ich drehte mich zu ihm um und sah, dass er noch immer mit der Autotür beschäftigt war. Einen Lackschaden konnte ich dort allerdings nicht entdecken.
»Ich wette, es wird ihr überhaupt nicht auffallen«, sagte ich. »Sie selber fährt doch gar nicht Auto, oder?«
»Nein, aber ihr Mann.«
»Okay«, entgegnete ich. »Der ist im Augenblick aber nicht da.«
Papa kniff die Augen zusammen, und mir war sofort klar, dass meine Bemerkung wohl einen Tick zu vorlaut gewesen war.
»Ich werde es ihr beichten«, versprach ich. »Gleich heute Nachmittag.«
Mein Vater schob die Unterlippe vor und musterte mich nachdenklich.
»Also gut«, sagte er. »Ich nehme dich beim Wort.«
Ich nickte betreten, dann machte ich einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn flüchtig auf die Wange. »Mach dir keine Sorgen, sie wird dir bestimmt nicht böse sein.«
Papa fasste mich bei den Schultern und sah mich durchdringend an.
»Du meinst, dir wird sie nicht böse sein.«
»Ja, klar, natürlich«, beeilte ich mich, ihm beizupflichten.
Zumindest hoffte ich das. Oder nein, halt. Im Gegenteil: Auf einmal war ich mir sogar sicher. Wenn Frau von Helsing wollte, dass ich Celias Freundin wurde, würde ihr daran liegen, mich nicht zu verärgern.
Diese Gedanken lieÃen mich innerlich zusammenzucken. Sie machten mich stark, und irgendwie gefiel mir das, doch auf der anderen Seite fühlte ich mich total mies, gerade weil mir so etwas durch den Kopf ging.
»Tschüs, Papa«, presste ich hervor. »Englisch fängt gleich an.«
»Okay«, sagte er. »Wann hast du heute Schluss?«
»Nach der sechsten.«
»Aha.« Er runzelte die Stirn. »Und wann ist das?«
»Ãh ⦠um â¦Â«
»Um fünf nach eins«, sagte Jona hinter mir.
Ich fuhr herum, denn ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass er noch immer dortstand.
»Wolltest du dir nicht das Blut abwaschen?«, rief ich verdattert.
»Glaub schon«, erwiderte Jona. »Aber zuerst wollte ich auf dich
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