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Phillips Bilder (German Edition)

Phillips Bilder (German Edition)

Titel: Phillips Bilder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Walther
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ich.
    „Tofubällchen“, sagt David ungerührt.
    „Da siehst du mal, wie ich hier leiden muss.“ Benjamin lacht. Dann zieht er eine Packung Zigaretten raus. „Stört es dich?“ Er setzt sich in den Liegestuhl.
    Ich schüttele den Kopf. Benjamin zündet sich eine an und raucht genüsslich.
    „Kann ich dich was fragen, Benjamin?“
    „Klar.“
    „Wussten deine Eltern, dass du schwul bist?“
    „Nein“, Benjamin schluckt, „Nein. Als meine Mutter krank war, da wusste ich es schon. Aber ich wollte sie nicht belasten, oder hatte Angst. Oder ... keine Ahnung. Und David hatte mich gerade abserviert, dachte ich. Ich hab mit niemandem darüber geredet.“
    „Und dein Vater?“
    „Unser Verhältnis war zum Schluss nicht mehr so gut. Er hat getrunken, er ist damit nicht klargekommen. Wir haben viel gestritten.“ Benjamin raucht hastig, streift die Asche an der Armlehne ab.
    „Ich habe ihn nicht abserviert“, erklärt David. „Ich hatte mir nur das Bein gebrochen.“
    „Und warum hat Benjamin ...?“
    „Weil wir keine Telefonnummern voneinander hatten, keine Adressen, nicht mal die Nachnamen. Nur diesen Treffpunkt, immer am selben Tag.“
    „Warum hast du ihm deine Telefonnummer nicht gesagt?“, frage ich David.
    „Weil er nicht gefragt hat. Aber ... nein.“ Er sieht Benjamin an, als bitte er um Erlaubnis für diese Geschichte. Oder um Entschuldigung. „Ich habe erst mit fünfzehn oder sechzehn gemerkt, dass ich mich zu Jungs hingezogen fühle. Aber so genau wollte ich das gar nicht wissen. Lieber habe ich überlegt, mit welchem Mädchen ich wohl gehen könnte. Welche mich am wenigsten stören würde. Dann riss mich Benjamin aus meinen Träumen, mitten auf dieser Obstwiese. Es gefiel mir, wie angetan Benni offensichtlich von mir war. Und ich wollte nicht darüber nachdenken, wie sehr er mir gefällt. Wie das alles mir gefällt.“
    „Darum hast du ihn auf Abstand gehalten?“
    „Ja, hab ihn nicht mal geküsst.“
    Benjamin ist still geworden und schaut zur Hängematte. „Ich habe dich ja nicht gefragt, nach deiner Adresse ... irgendetwas.“
    „Ich habe dich schon spüren lassen ...“, sagt David.
    „Aber wenn man fragt und keine Antwort bekommt?“, wende ich ein.
    „Erhoffe dir nicht zu viel von Seth.“ Benjamin drückt die Zigarette zu seinen Füßen in die Erde.
    „Das hätte dir damals auch jeder über mich gesagt“, David flüstert fast.
    „Das kannst du doch nicht vergleichen“, faucht Benjamin ihn an.
    „Lasst das, ja! Lasst es, euch einzumischen. Ich weiß selbst ...“
    „Wir mischen uns nicht ein, Phil. Sorry“, sagt Benjamin. „Ich mähe noch weiter.“ Er steht auf und geht zum Haus, greift zur Sense. David schaut mich an, dann lädt er das Geschirr auf ein Tablett, legt mir flüchtig die Hand auf die Schulter und geht ins Haus.
    Ich mache mir noch ein Bier auf und gehe hinunter zum Bach. Wie sind wir eigentlich schon wieder auf Seth gekommen? Eigentlich hatte ich Benjamin gefragt, ob er es seinen Eltern gesagt hat. Auch ich habe es meinen Eltern nicht gesagt. Hatte Angst, wusste nicht wie. Es war ein dummer Fehler, der es enthüllte. Meine Mutter wollte Fotos von mir sehen und ich griff zur falschen Mappe. Obwohl ich versuchte, sie abzulenken, sah sie sich alle Bilder an. Muskeln, braune Haut, auf der Wasser perlte, raufende Jungen, ausrasierte Nacken und schwarze Haare, noch mehr in Szene gesetzte Muskeln. Ziemlich gute Fotos. Sie sagte nichts, aber ich merkte ihr an, dass sie es verstand. Ich saß mit rotem Kopf und trockenem Mund da und sagte auch nichts. Ich war sechzehn, so alt wie Benjamin, als er es seiner Mutter hätte sagen sollen. Denn ein Jahr später war sie tot. Meine hatte noch Zeit, etwas jedenfalls.
    Sie muss es meinem Vater gesagt haben, er war eine Zeit lang nicht mehr locker in meiner Nähe. Ich merkte, wie er sich darum bemühte. Ich wich meinen Eltern aus, wenn ich konnte, fuhr zu Moritz – der nichts wusste. Beobachtete David – von dem ich es wusste. Aber lieber hätte ich mir die Zunge abgebissen, als mit ihm zu reden.
    Ich trinke Bier, leere die halbe Flasche in einem Zug. Warum habe ich feuchte Augen? Sie hat nie etwas Blödes gesagt, nichts über Enkel, über Veranlagung oder wer schuld sei. Sie war nie anders zu mir. Sie fragte einmal, ob mir ein Junge gefiele, dem ich hinterher sah, aber ich drehte mich weg und antwortete ihr nicht. Ich habe nie mit ihr darüber geredet, bis zu ihrem Tod nicht. Nicht darüber, dass ich mir einen Freund

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