Phillips Bilder (German Edition)
wünsche, nicht, wie es ist, in Berlin flüchtige Begegnungen zu haben. Sie fragte auch nie. Sie umarmte mich sehr fest, wenige Tage bevor sie starb, und sagte: „Alles Gute, mein Junge.“ Und ich hatte Mühe, nicht zu weinen in diesem Moment.
Ein warmer Wind ist aufgekommen, der an den Bäumen zerrt. Ich liege in der Hängematte und genieße die Stimmung, die mit der Dämmerung aufgezogen ist. Aus dem Haus dringen Musikfetzen, das Fenster von Davids und Benjamins Zimmer steht offen. Die Musik wird lauter, irgendeine alte Rockmusik. Der Sänger lockt und schreit und flirtet, ein Gitarrensolo, der Song fließt dahin.
Es beginnt zu regnen, die Tropfen dringen kaum durch das Blätterdach. Ich schaue hinauf zu dem Fenster, aus dem nur ein vager Lichtschein in den dämmrigen Garten fällt. Der Regen wird stärker, einzelne Tropfen fallen auf mich. Ich schaue noch einmal zu dem offenen Fenster, stehe auf und gehe ins Haus. Dort steige ich die Treppe hinauf. Oben stehen alle Türen offen, und ein frischer Wind weht über den Flur. Ich gehe zu ihrem Zimmer und klopfe an den Türrahmen. Benjamin und David liegen halb an die Wand gelehnt auf der Matratze, daneben steht ein Plattenspieler.
„Störe ich?“
„Nein, komm rein“, sagt Benjamin. Er trägt ein T-Shirt und Boxershorts, während David nur eine Jeans anhat. Ich setze mich auf die Ecke der Matratze. „Was ist das für Musik?“
„Led Zeppelin. Hört man das im Garten?“
„Klar.“
Ein neuer Song beginnt, noch wilder, und ich wippe mit dem Kopf. David macht sich an der Lautsprecherbox zu schaffen, holt einen Joint heraus. Er zündet ihn an und inhaliert, dann reicht er ihn mir. Ich ziehe kurz daran, dann gebe ich an Benjamin weiter und lehne mich zurück, stütze mich auf die Ellenbogen. Der Joint kommt wieder zu mir und ich ziehe schon kräftiger daran. Draußen wird der Regen stärker. Die hohen, auf die Wände des Zimmers gemalten Gräser scheinen sich sanft im Wind zu wiegen.
„Hast du schon mal geraucht?“, fragt mich David.
„Nein.“ Ich gebe wieder an Benjamin weiter. Er nimmt den Joint und klopft zwischen sich und David auf die Matratze. Ich rutsche zwischen die beiden.
„Mag die Musik“, sage ich.
„Ist aus den Siebzigern. Coole Platte“, David greift über mich und nimmt sich den Joint von Benjamin. Ich sehe zu, wie er raucht, sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht. Dann hält er mir den Joint-Stummel vor die Lippen.
„Und?“, fragt Benjamin.
„Hm. Ich merk nicht viel, nur so eine Leichtigkeit.“
„Mir ist schlecht geworden, als ich den ersten geraucht habe.“
Ich grinse und gebe ihm den Rest vom Joint. „Dir war schlecht? Du hast dich vorgebeugt und David einen geblasen!“ Ich muss lachen. Dann sehe ich zu David. „Oder?“
Er greift mir in die Haare und schiebt meinen Kopf zurück. „Hat dir schon mal einer einen geblasen, Phillip?“
„Klar! Erst gestern ...“
„Er ist ein geiler Typ. Ich steh nicht auf ihn, aber ich kann verstehen, dass du ...“, sagt Benjamin.
„Nicht schon wieder“, ich lache prustend. Dann fahre ich mit meinen Fingern über Davids Unterarm. Langsam zieht er den Arm weg und sieht mich dabei ernst an. Er streicht über seine Brust und ich merke, wie mich diese Geste anmacht. Schnell schaue ich zu Benjamin.
„Ist dir immer noch nicht schlecht?“, fragt er mich.
„Was wäre wenn ...?“, ich grinse ihn anzüglich an.
„Schlampen“, sagt David und wir lachen wie verrückt.
Ich rutsche tiefer, lege einen Arm über den Kopf und beruhige mich langsam. Ich lausche der Musik und grinse. Als die Platte stoppt, sagt Benjamin: „Du kannst drüben in dem Zimmer schlafen.“
Seth wird mich nicht finden, wenn er kommt, schießt mir sofort durch den Kopf. Aber dann höre ich auf den Regen, und denke, das geschähe ihm recht. Ich richte mich auf und gebe Benjamin einen Kuss, einen Augenblick länger, als für einen Abschiedskuss üblich. Als ich David küssen will, dreht er den Kopf leicht, sodass ich nur seinen Mundwinkel treffe.
„Schlaft gut“, ich steige über David und gehe zur Tür, „soll ich noch offen lassen?“
„Nein, ist okay so.“
„Riecht noch ein bisschen nach Gras“, sage ich, dann ziehe ich die Tür zu. Ich gehe in das andere Zimmer und trete ans Fenster. Am Horizont ist ein Streifen blassblauen Himmels zu sehen, der Garten ist dunkel, vage Umrisse kann ich erkennen, der Tisch leuchtet aus der dunklen Masse. Die Hängematte ist nur zu erahnen, niemand liegt
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