Philosophenportal
durch den Amerikaner
John Rawls eine Neuauflage.
John Lockes
Zwei Abhandlungen über die Regierung
haben, wie nur wenige Werke der politischen Philosophie, das Selbstbewusstsein des Menschen gestärkt, indem sie ihm das gezeigt
haben, was er nicht verlieren kann: die Rechte eines freien Bürgers.
Ausgabe:
JOHN LOCKE: Zwei Abhandlungen über die Regierung. Herausgegeben und eingeleitet von W. Euchner. Übersetzt von H. J. Hoffmann. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2000.
|106| Grenzvermessung im Land der Erkenntnis
IMMANUEL KANT: Kritik der reinen Vernunft (1781)
In der Geschichte des Menschen gibt es immer wieder Ereignisse, die als radikaler Bruch mit der Vergangenheit, als Zäsur und
Neuorientierung empfunden werden. Man blickt auf sie mit dem sicheren Bewusstsein zurück, dass nach ihnen nichts mehr so war
wie zuvor. Die Französische Revolution war, in den Augen der Zeitgenossen und aller nachfolgenden Generationen, ein solches
Ereignis. Aber auch die Geschichte des menschlichen Geistes erlebte derartige Umbrüche. Die zu Beginn des 16. Jahrhunderts aufgestellte Lehre des Nikolaus Kopernikus, wonach sich nicht die Sonne um die Erde, sondern vielmehr die Erde
um die Sonne dreht, hat nicht nur dem naturwissenschaftlichen Weltbild eine neue Richtung gegeben, sondern auch das Selbstverständnis
des Menschen als angeblichem Mittelpunkt des Universums grundlegend verändert.
Etwa zweihundertfünfzig Jahre später erlebte auch die Philosophie eine solche Revolution: Sie ist mit einem Werk verbunden,
dem sein Verfasser, der Königsberger Professor Immanuel Kant, den bescheidenen Titel
Kritik der reinen Vernunft
gab. Doch die Ansprüche, die er mit seinem 1781 erschienenen Buch verband, waren keineswegs bescheiden. Was Kopernikus für
die Astronomie, das habe er, Kant, nun für die Metaphysik, die wichtigste unter allen philosophischen Disziplinen, geleistet.
Das Unternehmen einer Selbsterforschung der Vernunft, das der französische Philosoph René Descartes im 17. Jahrhundert begonnen hatte, führte Kant auf eine radikale Weise fort. Er untersuchte, wie weit das menschliche Erkenntnisvermögen
reicht und was es mit der Erkenntnis der »letzten Dinge«, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, |107| auf sich hat. Dabei setzte er der menschlichen Erkenntnisfähigkeit neue Grenzen.
Die
Kritik der reinen Vernunft
ist nicht nur ein dickes, sondern auch ein für Laien und Fachleute gleichermaßen schwieriges Buch, das hohe geistige Konzentration
und Ausdauer verlangt. Doch niemand, der sich ernsthaft mit der philosophischen Grundfrage »Was kann der Mensch erkennen?«
auseinander setzen will, kann der Lektüre dieses Buches ausweichen. Es gibt nur wenige Werke in der Philosophiegeschichte,
von denen die Kenner einhellig behaupten, dass sie für ein Studium der Philosophie unverzichtbar sind. Die
Kritik der reinen Vernunft
gehört dazu.
Wie Kopernikus verlangt auch Kant von uns also einen Perspektivewechsel in unserer »Weltanschauung«. Kopernikus hatte nicht
mehr die Erde, sondern die Sonne in den Mittelpunkt des Universums gestellt. Kant fordert uns auf, den Blick von den Erkenntnisgegenständen
auf die Erkenntnisvoraussetzungen zu lenken: War man bisher immer davon ausgegangen, dass sich die Erkenntnis nach den Gegenständen
richten müsse, so sollen sich nun die Gegenstände nach der Erkenntnis richten. Das, was wir Gegenstand nennen, ist von unserer
eigenen Erkenntnisleistung abhängig. Wollen wir die Grenzen unserer Welt kennen lernen, müssen wir die Grenzen unserer eigenen
Erkenntnisfähigkeit ermitteln. Mit Kants
Kritik der reinen Vernunft
ist in der Tat eine, wie er es nannte, veränderte »Denkart« in die Philosophie eingekehrt, die bis heute als »kopernikanische
Wende« bezeichnet wird.
»Was lange währt, wird endlich gut« – wenn man dieses Sprichwort überhaupt auf philosophische Werke anwenden will, so hat
es im Fall der
Kritik der reinen Vernunft
sicher seine Berechtigung. Es war kein Buch aus einem Guss, geboren aus einer genialen Idee, sondern vielmehr das Produkt
einer mühsamen, Schritt für Schritt voranschreitenden Problemarbeit. Kant war sich sicher, dass er sich in ein ganz neues
und unbekanntes Gelände vorgewagt hatte und dass überall Gräben und Abgründe lauerten. Geduldig schritt er das Land der Erkenntnis
ab und vermaß es neu. Als er nach über einem Jahrzehnt Arbeit das Ergebnis der Öffentlichkeit präsentierte, war er bereits
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