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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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vorbereitet, indem er gründlich
     das Terrain des Gegners untersucht.
    Das Werk versucht, die inneren Mechanismen der modernen Waren- und Industriegesellschaft freizulegen, um den Weg aufzuzeigen,
     wie die von ihr erzeugten neuen Formen der Ausbeutung des Menschen beendet werden können. Diese vom »Kapital« regierte, »kapitalistische«,
     Gesellschaft trägt den Keim ihrer eigenen Zerstörung bereits in sich. Marx beschreibt sie, wie man heute ein Computersystem
     beschreiben würde, das vom Zeitpunkt seiner Programmierung an schon mit einem Killervirus infiziert ist. Es ist ein System,
     das irgendwann an seine eigenen Grenzen stößt, zusammenbricht und damit Raum zur Verwirklichung einer freien menschlichen
     Gesellschaft gibt.
    Deshalb wollte
Das Kapital
mehr sein als eine groß angelegte ökonomische Analyse, mehr als ein Buch über den Wert, den Menschen und Dinge in einer Warengesellschaft
     annehmen. Hinter dem »Warenwert« sollte auch der »wahre Wert« sichtbar werden, den der Mensch und seine Arbeit in einer von
     Ausbeutung freien Gesellschaft erhalten. Marx wollte die Bedingungen aufzeigen, unter denen der Mensch wieder »Mensch« werden
     und soziale Gerechtigkeit wiederhergestellt werden kann.
    Ein solches Werk erforderte nicht nur eine enorme Erkenntnisbreite, unermüdlichen Fleiß und Willenskraft, sondern auch ein
     ausgesprochen kämpferisches Sendungsbewusstsein. All dies traf auf Marx zu. Ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, begleitet
     von einer polemischen Aggressivität im Umgang mit seinen Gegnern, zeichneten ihn schon sehr früh aus.
    Es waren vor allem religiöse und philosophische Impulse, die das Denken seiner Jugend bestimmten. Marx wurde 1818 in der alten
     Bischofsstadt Trier geboren, die damals zur preußischen Rheinprovinz |151| gehörte. Sowohl in väterlicher als auch in mütterlicher Linie stammte er aus alten Rabbinerfamilien. Erst seine Eltern waren
     vom Judentum zum Protestantismus übergetreten. Der Vater, ein philosophisch gebildeter Jurist, bekannte sich, wie viele assimilierte
     Juden, zum Gedankengut der Aufklärung. Zwei Elemente der rabbinischen Tradition finden sich in Marx’ Denken wieder: der durch
     intensive Textauslegung geschulte logische Scharfsinn und der messianische Glaube, dass die Menschheit eines Tages aus ihrem
     Zustand des Leidens erlöst werden wird. Obwohl Marx Religion als »Opium des Volkes« bezeichnete, übernahm er doch den jüdisch-christlichen
     Gedanken einer heilsgeschichtlichen Entwicklung.
    Ein Grund dafür war, dass dieser Gedanke längst Eingang in die Philosophie gefunden hatte. So glaubte auch Georg Wilhelm Friedrich
     Hegel, der einflussreichste deutsche Philosoph des frühen 19.   Jahrhunderts, dass am Horizont der menschlichen Geschichte ein Zustand stehe, in dem der Mensch wieder »zu sich selbst« findet.
     Doch im Gegensatz zu den Philosophen, die die Geschichte religiös deuteten, war er davon überzeugt, dass dieser Zustand vom
     Menschen selbst hervorgebracht wird.
    Für Hegel ist die menschliche Geschichte ein gesetzmäßiger Prozess der Bewusstwerdung und Verwirklichung der Vernunft. Am
     Ende stehen »vernünftige« Verhältnisse, so auch ein moderner Staat, in dem Freiheit und Gerechtigkeit durchgesetzt sind. Hegel
     glaubte, dass seine eigene Philosophie diese Entwicklung zum ersten Mal auf den Punkt gebracht habe und dass er und seine
     Zeitgenossen Zeugen der Verwirklichung der Vernunft in Kultur und Politik seien. Hegel, der bis zu seinem Tod 1831 an der
     Berliner Universität lehrte, kam deshalb auch in den Ruf,
der
preußische Staatsphilosoph zu sein.
    Als Marx von 1835 bis 1841 zunächst in Bonn und dann in Berlin studierte, stand die Universitätsphilosophie noch ganz im Bann
     Hegels. Marx entwickelte sein eigenes philosophisches Denken von Anfang an in Anlehnung und Abgrenzung zu Hegel. In Berlin
     schloss er sich den so genannten »Junghegelianern« an, die zwar Hegels Gedanken eines gesetzmäßigen Fortschritts aufgriffen,
     doch zu einer ganz anderen Beurteilung der zeitgenössischen Wirklichkeit kamen: |152| Statt einer Verwirklichung der Vernunft sahen sie um sich herum vor allem Elend und politische Unterdrückung. Die Junghegelianer
     waren philosophische und politische Rebellen. In ihrer Wahrnehmung stand die Vernunft nicht auf Seiten der zeitgenössischen
     Verhältnisse, sondern auf Seiten der neuen demokratischen und revolutionären Bewegungen.
    Karl Marx war unter diesen Rebellen einer der

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