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und der Art, wie die Produkte verwertet werden. Die durch Arbeitsteilung gekennzeichnete
Produktion ist auf den Zusammenhang der Gesellschaft insgesamt ausgerichtet: Es wird nicht mehr für die Selbstversorgung oder
einen lokalen Markt produziert, sondern es werden Produkte hergestellt, die ihren Sinn erst im Rahmen eines großen gesellschaftlichen
Marktes erhalten. Angeeignet und verwertet werden diese Produkte allerdings von nur ganz wenigen. Dieser »antagonistische«,
das heißt nicht auflösbare, Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung führt zu zwei Entwicklungen,
die das System schließlich von innen her zerstören. Marx sieht sie als zwei Seiten eines Gesetzes, das er »das allgemeine
Gesetz der kapitalistischen Akkumulation« nennt.
Die erste dieser Entwicklungen führt zur Konzentration des Kapitals in immer weniger Händen. Marx nennt dies den »Prozess
der Zentralisierung«. Die größeren Kapitalisten können billiger produzieren und sie können ihre Produktionspalette erweitern,
wodurch sie krisenunabhängier werden. Wenn die kleineren Betriebe unrentabel und nicht mehr konkurrenzfähig sind, teilen sie
das Schicksal der kleinen Fische in einem Haifischbecken: Sie werden aufgefressen.
Diese Konzentration des Kapitals hat aber noch eine andere Seite. Ein immer größerer Anteil des angesammelten Kapitals – Marx nennt es das »konstante Kapital« – fließt in die Produktionsmittel, also zum Beispiel in die Modernisierung der Maschinen.
Ein immer kleinerer Anteil fließt als »variables Kapital« in die Lohnkosten, also in den Kauf der Arbeitskraft. Durch die
Modernisierung erhöht sich ständig die Arbeitsproduktivität, indem immer niedrigere Arbeitskosten einen immer größeren Ertrag
einbringen.
|161| Dies führt dazu, dass nicht nur in wirtschaftlich schlechten Zeiten, sondern auch in Zeiten der Hochkunjunktur im Verhältnis
immer weniger Arbeitskräfte gebraucht werden, ein Prozess, der uns heute als »Rationalisierung« vertraut ist. Dies bedeutet
aber gleichzeitig, dass der Kapitalismus eine ständig steigende Zahl von Arbeitslosen produziert, aus denen sich die Kapitalisten
mit der Zeit nur noch die besten bei Bedarf aussuchen können. Das System erzeugt also eine »industrielle Reservearmee« von
Arbeitern, von denen schließlich eine große Zahl ins Elend absinkt. »Es folgt daher«, so Marx, »dass im Maße, wie Kapital
akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, sich verschlechtern muss ... Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit,
Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol.«
Diese unter dem Namen »Verelendungstheorie« bekannt gewordene These besagt also, dass der Kapitalismus zwangsläufig die Verarmung
des größten Teils der Bevölkerung herbeiführt. Nicht nur entsteht damit ein revolutionäres Potenzial von Unzufriedenen, die
nichts mehr zu verlieren haben, dem System gehen auch die Konsumenten und damit wiederum die Möglichkeiten des Profitmachens
verloren. Am Ende stehen auf der einen Seite riesige, in wenigen Händen konzentrierte Kapitalvermögen und steht auf der anderen
Seite Massenelend. Das System hat sich totgelaufen.
Das kapitalistische Privateigentum beruht auf der Ausbeutung fremder Arbeit. Solange diese Trennung zwischen Arbeit und Besitz
von Produktionsmitteln bestehen bleibt, werden sich nach Marx auch die sozialen Ungerechtigkeiten, die das System hervorbringt,
nicht beseitigen lassen. Reformen, zum Beispiel Lohnerhöhungen oder Verbesserung der Arbeitsbedingungen, können das nicht
leisten, sondern nur ein radikaler Systemwechsel. Der Kapitalismus ist für Marx nicht reformierbar.
Die Lösung des Problems liegt darin, dass der Grundwiderspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung
beseitigt wird. Auch die Aneignung und Verwertung der Arbeitsprodukte muss in gesellschaftliche Hand überführt werden. Da
die Kapitalisten |162| ihr Privateigentum an Produktionsmitteln nicht freiwillig aufgeben werden, muss dies durch eine Revolution geschehen, das
heißt durch eine gewaltsame Enteignung der Kapitalisten.
Marx hat im
Kapital
keine Theorie der Revolution ausgearbeitet und sich auch nicht darüber ausgelassen, wie eine gesellschaftliche Aneignung von
Produktionsmitteln in der Praxis aussehen soll. Er war aber davon
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