Phobia: Thriller (German Edition)
Geschichte ihrer Freundin. Vor acht Jahren war Gwen während ihrer Schwangerschaft depressiv geworden, sie hatte sogar an Selbstmord gedacht. Schließlich ließ sie sich in eine Psychiatrie einweisen. Der Vater ihrer Tochter hatte sie daraufhin im Stich gelassen. Seither kämpfte Gwen sich allein durch. Längst ging es ihr wieder gut, aber aufgrund ihrer Vorgeschichte hatte sie ihren Job als Erzieherin verloren und fand auch keine neue Anstellung mehr. Offenbar wollte niemand seine Kinder einer Person anvertrauen, die schon einmal psychiatrisch behandelt worden war. So schlug sie sich seit Jahren mit Gelegenheitsjobs durch, die sie ebenso häufig wechselte wie ihre Affären.
»Du solltest dir ein Beispiel an Harvey nehmen und ebenfalls ein wenig schlafen«, sagte Gwen und ging zum Kühlschrank. »Unter uns gesagt, du siehst schlimm aus.«
»Ich weiß«, seufzte Sarah. »Aber ich kann nicht. Nicht, solange ich nichts von Stephen gehört habe.«
»Nun komm schon.« Gwen kam mit zwei Flaschen und zwei Gläsern an den Tisch zurück. »Die beiden Jungs hier werden dir helfen, ein bisschen Schlaf zu finden. Darf ich vorstellen: Mr. Gordon und Mr. Tonic.«
Sie goss ihnen ein und sparte dabei nicht mit Gin. Sarah nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. »O Gott! Damit gebe ich mir jetzt den Rest.«
»Mach dir nicht so viele Sorgen«, sagte Gwen. »Harvey schlägt sich wirklich tapfer. Er hat vorhin sogar schon wieder gelacht, als Diana ihm den Teddy in den Arm gedrückt hat. Sie tut ihm gut, du wirst sehen. Und sicher wird die Polizei diesen Kerl bald schnappen.«
»Aber Stephen …«
»Ihm ist bestimmt nichts passiert, glaub mir«, fiel Gwen ihr ins Wort. »Wahrscheinlich hat der Polizist recht. Stephen wird in irgendeinem Hotel schlafen und von dem Diebstahl gar nichts mitbekommen haben.«
Sarah drehte gedankenverloren ihr Glas in der Hand. »Nein«, flüsterte sie. »Dieser Kerl hatte Stephens Koffer. Was ist, wenn … wenn er ihn umgebracht hat?«
Gwen ergriff ihre Hand. »Daran darfst du nicht einmal denken, Liebes! Warum sollte er das tun? Das ergibt doch keinen Sinn.« Gwen winkte ab, aber sie klang nicht wirklich überzeugend. »Mag sein, dass er Stephens Sachen gestohlen hat, aber deswegen bringt er ihn doch nicht gleich um. Ich denke, dieser Spinner wollte dich einfach nur erschrecken. Von solchen Freaks hört man immer wieder.«
Sarah blinzelte gegen die Tränen an. Noch nie zuvor hatte sie sich derart erschöpft und gleichzeitig aufgewühlt gefühlt.
»Das Schlimmste ist, dass ich nichts tun kann. Wenn ich doch nur wüsste, wohin Stephen gefahren ist. Ich hätte ihn fragen sollen, aber wir haben nur kurz zwischen Tür und Angel miteinander gesprochen.« Sie schnaubte vorwurfsvoll. »Weil ich dämliche Kuh noch einkaufen gehen wollte.«
Gwen trank einen Schluck, dann sah sie Sarah prüfend über den Rand ihres Glases an. »Ist das die ganze Wahrheit, oder gab es noch einen anderen Grund, warum ihr nicht darüber gesprochen habt?«
Sarah wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht. »Nein, du hast recht, ich mache mir etwas vor. In letzter Zeit haben Stephen und ich nur wenig miteinander gesprochen.«
»Und warum?«
»Wegen seiner Arbeit. Weißt du, ich freue mich ja, dass seine Projekte so gut laufen, wirklich. Stephen überlegt sogar, einen Mitarbeiter einzustellen. Aber ich war auch gereizt, weil er nur noch für seine Arbeit lebt. Für Harvey oder mich hat er kaum noch Zeit. Und er scheint nicht einmal zu merken, dass er uns fehlt.« Sie griff nach ihrem Glas und trank es in einem Zug leer. »Ich wollte es ihn spüren lassen. Deshalb habe ich ihn nicht mehr gefragt, wohin er fährt. Ich dachte, irgendwann muss er es doch merken.«
»Okay, verstehe.« Gwen deutete zu der Couch am anderen Ende des Zimmers, auf der sie mehrere Wolldecken und ein Kopfkissen für Sarah bereitgelegt hatte. »Jetzt schlaf erst einmal. Es bringt nichts, wenn du hier herumsitzt und dir Vorwürfe machst. Denk an Harvey, er braucht dich jetzt. Ich bin oben im Schlafzimmer, falls etwas ist.«
Damit stand sie auf, ging zur Tür und sah sich noch einmal zu Sarah um. »Hast du mich verstanden? Du wirst jetzt schlafen. Das war kein freundschaftlicher Rat, sondern ein Befehl.«
»Aye, Ma’am.«
Gwen nickte ihr lächelnd zu und verschwand nach oben.
Sarah blieb allein am Esstisch zurück und sah aus dem Fenster. Es dämmerte bereits, und der Regen hatte aufgehört. Der versprochene Schnee blieb aus, dafür war es nun
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