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Phönix

Titel: Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ich die Tür öffnete, hörte ich gerade noch ihre Stimme: »Mr. Brady wird in ein paar Minuten frei sein!«
    »Bitten Sie ihn zu warten«, antwortete ich und machte rasch die Tür hinter mir zu.
    Ich hatte ungefähr zehn Minuten in der Toilette verbracht, als sich die Tür auftat und jemand hereinkam. Unter dem Türschlitz konnte ich ein Paar Herrenschuhe erkennen, die zögernd vor der Toilettentür stehenblieben. Es waren die Schuhe eines Uniformierten. Um das zu erkennen, mußte ich nicht erst die grauen Hosenaufschläge sehen. Ich grinste und verhielt mich ruhig. Nach einigen Sekunden verschwanden die Schuhe wieder, und die Tür wurde zugeschlagen.
    Eine von Vaters Prophezeiungen hatte sich jetzt, nach vielen Jahren, doch noch erfüllt. Ich erinnerte mich, daß er einmal zu Mutter gesagt hatte, man könne mich nur aus dem Klo herausbekommen, wenn man mir die Polizei auf den Hals schicke.
    Ich saß da also und blätterte in der Illustrierten. Fünf Minuten später flog die Tür wieder auf. Ich schaute auf den unteren Türspalt. Ein Paar kleine, glänzende Schuhe gingen daran vorbei. Ich lächelte grimmig vor mich hin. Eine Runde für mich.
    Ich ließ die Illustrierte zu Boden fallen. Eine Sekunde später trat ich aus der Toilette und ging hinüber zum Waschbecken. Der kleine Mann, der dort stand, schaute mich prüfend an. Sichtlich erstaunt grinste ich auf ihn nieder. »Mr. Brady«, sagte ich, »was haben Sie für reizende Büros hier!«
    Matt Bradys eigenes Büro war riesig; es hätte leicht als Foyer für einen Konzertsaal dienen können. Es war ein Eckzimmer, und an zwei Wänden befanden sich riesige Fenster, durch die man ein Gebäude hinter dem anderen erkennen konnte, alle mit dem glitzernden, rostfreien Firmenzeichen von Consolidated Steel. Bradys Schreibtisch füllte die große Ecke aus, in der die beiden Fenster aneinanderstießen. Um seinen Schreibtisch waren drei Sessel mit dem Blick zu ihm gruppiert. Gegenüber befand sich ein langer Konferenztisch mit zehn Stühlen. Dann war da noch eine lange Couch, davor ein niedriger Tisch mit einer Marmorplatte und zwei weitere Stühle.
    Durch einen Wink forderte er mich auf, Platz zu nehmen, während er hinter seinen Schreibtisch trat. Schweigend setzte er sich hin und musterte mich. Ich wartete, daß er endlich sprechen würde. Die erste Frage kam von links außen. »Wie alt sind Sie, Mr. Ro-wan?«
    Ich schaute ihn neugierig an. »Dreiundvierzig«, antwortete ich.
    Die nächste Frage kam aus dem Abseits. »Wieviel verdienen Sie im Jahr?«
    »Fünfunddreißigtausend«, antwortete ich fix, noch ehe ich eine Möglichkeit hatte zu lügen.
    Er nickte schweigend und starrte auf seinen Schreibtisch. Da lagen ein paar Seiten mit Schreibmaschine beschrieben. Er schien sie zu studieren. Ich wartete darauf, daß er fortfuhr. Nach einer Weile schaute er mich wieder an. »Wissen Sie, warum ich Sie herbestellt habe?« fragte er.
    »Ich dachte eigentlich, ich wüßte es«, sagte ich aufrichtig, »aber jetzt bin ich nicht mehr ganz sicher.«
    Er lächelte freudlos. »Ich halte viel von einer ehrlichen Aussprache, junger Mann«, sagte er. »Deshalb will ich keine Zeit verplempern und gleich zum Kern der Sache kommen. Wollen Sie sechzigtausend im Jahr verdienen?«
    Ich lachte nervös. So wie der Bursche da mit Zahlen umher warf
    - ich fühlte mich wie damals in Washington. »Mit Vergnügen«, antwortete ich.
    Er beugte sich vertraulich zu mir herüber. »Auf der Sitzung gestern haben Sie einen Werbeplan für die ganze Stahlindustrie vorgelegt. Erinnern Sie sich?«
    Ich nickte. Ich traute mich nicht, den Mund aufzumachen. Ich erinnerte mich sehr wohl, daß er ihm nicht sonderlich gefallen hatte.
    »Da waren einige Fehler drin«, fuhr er fort, »aber grundsätzlich war er in Ordnung.«
    Ich atmete auf. Der fette Brocken war also am Ende doch noch nicht davon geschwommen. Mich packte ein Siegestaumel. »Freut mich sehr, daß Sie dieser Meinung sind«, sagte ich rasch.
    »Als ich die Sitzung verließ, war ich ziemlich verärgert, das muß ich gestehen«, erläuterte er, immer noch in diesem vertraulichen Ton. Seine Augen waren auf mich geheftet. »Wegen Ihrer Beschuldigungen.«
    »Das tut mir leid, Sir«, erwiderte ich. »Es war nur wegen -«
    Mit einer Handbewegung unterbrach er mich. »Sie brauchen nichts weiter zu sagen. Ich gestehe, ich habe Sie hinreichend provoziert. Aber was Sie sagten, hat mich beeindruckt. Sie waren in der ganzen Runde der einzige, der den Mut hatte, das

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