Physiologie der Ehe (German Edition)
sie, »ist noch gar nichts. Ich muß Sie in die Wohnung meines Herrn Gemahls führen.«
»Madame, vor fünf Jahren habe ich sie vermauern lassen.«
»Ah! ah!« sagt sie.
Bei Tisch bietet sie auf einmal ihrem Herrn Gemahl vom Kalbsbraten an, und dieser antwortet:
»Madame, seit drei Jahren lebe ich nur von Milch.«
»Ah! ah!« sagt sie abermals.
Man stelle sich das Erstaunen von drei Leuten wie wir vor, die sich plötzlich zusammenfinden! Der Ehegatte sah mich hochmütig an; ich machte ein möglichst unverschämtes Gesicht. Frau von T. lächelte mich an und war reizend; Herr von T. nahm mich als ein notwendiges Übel hin, und Frau von T. vergalt es ihm. Ich habe wirklich in meinem ganzen Leben kein so sonderbares Abendessen mitgemacht. Als wir fertig waren, dachte ich, wir würden zeitig zu Bett gehen; aber diese Mutmaßung traf nur für Herrn von T. zu. Als wir den Salon betraten, sagte er:
»Ich bin Ihnen, Madame, dankbar für Ihre Vorsicht, den Herrn mitzubringen. Sie haben mich richtig beurteilt, wenn Sie dachten, ich würde für langes Aufbleiben ein schlechter Gesellschafter sein, und Sie haben es recht gemacht, denn ich ziehe mich zurück.«
Hierauf wandte er sich zu mir und fügte mit beißender Ironie hinzu:
»Mein Herr, Sie werden die Güte haben, mich zu entschuldigen und auch meine Entschuldigungen bei Madame zu übernehmen.«
Er ging. Gedanken schossen mir in einer Minute so viele durch den Kopf, daß sie für ein Jahr ausgereicht hätten. Als wir allein waren, sahen Frau von T. und ich uns mit einem so eigentümlichen Blick an, daß sie, um unsere Gedanken abzulenken, mir vorschlug, einen Spaziergang auf der Terrasse zu machen; nur wollten wir, setzte sie hinzu, lieber warten, bis die Dienerschaft zu Nacht gegessen hätte.
Die Nacht war prachtvoll; sie ließ alle Gegenstände kaum in schwachen Umrissen sehen und schien sie uns zu verhüllen, um der Phantasie einen höhern Schwung zu geben. Der Park, der auf einem Berghang angelegt war, stieg terrassenförmig bis an das Ufer der Seine herab, deren mannigfaltige Krümmungen und grüne malerische Inselchen der Blick umfaßte. Es war eine Aussicht auf tausend Landschaftsbilder, die diesen an sich so entzückenden Ort um tausend fremdartige Schätze bereicherten. Wir lustwandelten auf der größten Terrasse, die mit dichtbelaubten Bäumen besetzt war. Die Dame hatte sich von dem Ärger über den Spott ihres Gemahls erholt und machte mir unterwegs einige vertrauliche Geständnisse. Geständnisse ziehen sich gegenseitig an, ich machte ihr ebenfalls welche, und unsere Geständnisse wurden immer intimer und interessanter. Frau von T. hatte mir zuerst ihren Arm gegeben; dann hatte dieser Arm sich, ich weiß selber nicht wie, mit dem meinigen verschlungen, so daß ich sie beinahe trug und ihr Fuß kaum den Boden berührte. Diese Stellung war angenehm, aber auf die Dauer ermüdend. Wir waren schon lange spaziert und hatten uns noch viel zu sagen. Eine Rasenbank fand sich auf unserm Wege, und Frau von T. ließ sich auf sie nieder, ohne ihre Haltung zu ändern. So aneinander geschmiegt begannen wir Loblieder auf das Vertrauen zu singen, auf seinen Zauber, seine Wonnen.
»Ach!« sagte sie zu mir, »wer könnte es besser und furchtloser genießen als wir? Ich weiß ja, wie Sie jenes mir bekannte Band hält, und brauche daher in Ihrer Nähe nichts zu befürchten.«
Vielleicht erwartete sie einen Widerspruch von meiner Seite. Aber ich schwieg. Wir überredeten uns also wechselseitig, wir könnten uns nur zwei unantastbare Freunde sein.
»Ich fürchtete aber doch,« sagte ich, »jene Überraschung von vorhin im Wagen hätte Ihnen Angst gemacht.«
»Oh! so leicht erschrecke ich nicht!«
»Ich fürchte doch, der Vorfall könnte irgendeinen Schatten zurückgelassen haben.«
»Was brauchen Sie, um sich darüber zu beruhigen?«
»Geben Sie mir hier den Kuß, den der Zufall ...«
»Gerne; denn sonst würden Sie in Ihrer Eitelkeit sich einbilden, ich hätte Furcht vor Ihnen.«
Ich bekam den Kuß. Mit Küssen aber ist es wie mit Geständnissen: der erste zog einen zweiten nach sich und dann noch einen ... und dann wurden sie zahlreich, unterbrachen das Gespräch, ersetzten es schließlich ganz und gar; kaum vermochten vor lauter Küssen einige Seufzer unsern Lippen zu entschlüpfen. Dann wurde es still. So still, daß man die Stille hören konnte. Wir standen auf, ohne ein Wort zu sagen, und gingen weiter.
»Wir müssen hineingehen,« sagte sie; »denn die
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