Physiologie der Ehe (German Edition)
dieser Lage der Dinge verfiel der Gatte auf ein Hundeschwanzabschneiden, das für mehrere Jahre seinem gebrechlichen Glück neue Lebenskraft gab. Seine Frau hatte sich so gewandt benommen, daß er sich in großer Verlegenheit befunden hätte, dem Liebhaber seine Tür zu verbieten, denn sie hatte ein sehr entferntes Verwandtschaftsverhältnis mit diesem ausfindig gemacht. Die Gefahr wurde von Tag zu Tag bedrohlicher. Minotaurosgeruch machte sich allüberall bemerkbar. Eines Abends erschien der Gatte, von einem tiefen Kummer niedergedrückt; augenscheinlich litt er furchtbar. Mit seiner Frau war es bereits so weit gekommen, daß sie mehr Freundschaft für ihn zur Schau trug, als sie selbst während ihres Honigmondes für ihn empfunden hatte; und so bestürmte sie ihn mit Fragen über Fragen. Von seiner Seite dagegen düsteres Schweigen. Verdoppelte Fragen – dem Herrn entschlüpfen halbe Andeutungen, die ein großes Unglück ahnen lassen! Na, er hatte ihr damit einen japanischen Brennkegel angesetzt, der brannte wie ein Autodafé von 1600. Sofort versuchte die Frau durch tausend Manöver zu erfahren, ob der Kummer ihres Ehemanns durch diesen Liebhaber in spe verursacht sei. Zur Durchführung dieser ersten Intrige wandte sie tausend Mittel an. Die Phantasie sprengte mit verhängtem Zügel daher. Vom Liebhaber war nicht mehr die Rede. Mußte sie nicht vor allen Dingen das Geheimnis ihres Gatten entdecken? Eines Abends erliegt dieser dem Drange, seiner zärtlichen Freundin seinen Kummer anzuvertrauen: er erklärt ihr, ihr ganzes Vermögen sei verloren. Sie müßten auf ihre Equipage, auf die Loge in der Komischen Oper, auf Bälle, auf Feste, auf Paris verzichten; vielleicht könnten sie alle Verluste wieder einholen, wenn sie sich für ein Jahr oder zwei freiwillig auf ihr Landgut verbannten. Er wendet sich an die Phantasie seiner Frau, an ihr Herz, er beklagt sie, daß sie ihr Schicksal an das Los eines Mannes geknüpft habe, der ja allerdings in sie verliebt sei, aber kein Vermögen habe; er rauft sich einige Haare aus, und es bleibt seiner Frau nichts anderes übrig, als sich ebenfalls von hohen Gefühlen der Ehre fortreißen zu lassen; und in dem ersten Fiebertaumel ihrer neuerwachten ehelichen Liebe führt er sie auf sein Landgut. Hier erhielt sie neue Schröpfköpfe, Senfpflaster über Senfpflaster; Erfindung etlicher neuer Arten von Hundeschwanzabschneiden: er ließ an das Schloß einen Flügel in gotischem Stil anbauen; die gnädige Frau stellte zehnmal den ganzen Park auf den Kopf, um Wasserkünste, Seen, neue Aussichten zu erhalten, usw.; endlich war auch der Mann inmitten all dieser Tätigkeit selber nicht untätig: er verschaffte ihr interessante Lektüre, umgab sie mit zarten Aufmerksamkeiten usw. Besonders zu beachten: niemals ließ er sich einfallen, seiner Frau diese List einzugestehen; daß das verlorene Vermögen sich wieder einfand, geschah gerade infolge des Anbaues des gotischen Flügels und durch die riesigen Geldausgaben, die die Anlage der langen Wasserläufe gekostet hatte; er bewies seiner Frau, der See liefere das Wasser für einen Wasserfall, durch diesen würden Mühlen getrieben usw.
Hier haben wir einen nach allen Regeln der Kunst angewandten ehelichen Brennkegel, denn dieser Ehemann vergaß weder das Kindermachen noch die Einladung langweiliger, dummer und alter Nachbarn; und wenn er im Winter nach Paris kam, stürzte er seine Frau in einen solchen Wirbel von Bällen und Besorgungen, daß sie für Liebhaber keine Minute Zeit übrig hatte. Liebhaber sind notwendige Früchte eines müßigen Lebens.
Reisen nach Italien, der Schweiz und Griechenland, plötzliche Krankheiten, die den Besuch von Bädern, und zwar möglichst weit entfernten Bädern, nötig machen, sind ziemlich gute Brennkegel. Übrigens muß ein kluger Mann deren tausend für einen zu finden wissen.
Fahren wir nunmehr in der Prüfung unserer persönlichen Mittel fort. Hier wollen wir dich nun darauf aufmerksam machen, daß unsere Erörterungen auf einer Voraussetzung beruhen, die du ebenfalls als zutreffend anerkennen mußt, weil du sonst einfach unser Buch zuklappen könntest. Wir setzen nämlich voraus, daß dein Honigmond eine ziemlich anständige Zeitdauer gehabt hat und daß das Fräulein, das du zu deiner Frau machtest, Jungfrau war; im entgegengesetzten Fall würde nach den in Frankreich üblichen Sitten deine Frau dich nur zu dem Zweck geheiratet haben, um inkonsequent zu werden.
Im Augenblick, wo in deiner Ehe der
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