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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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begegneten sich in schrecklicher Abgeschiedenheit mitten in der Hecke. Sie fuhr schuldbewußt vor ihm zurück, denn er wirkte distanzierter und fremder als je zuvor. Er erkannte sie und bestätigte mit einem Zucken seines besorgten Gesichts, daß sie das Recht hatte, ihn zu suchen; doch fast im gleichen Moment schien er sie als unwichtig abzutun.
    »Er ist fort!« sagte er mit kalter, knirschender Stimme. Er sah durch sie hindurch in weite Ferne. »Gott behüte dich, Melangell, denn nun mußt du auf dich selbst aufpassen, so leid es mir tut.
    Er ist fort - geflohen, als ich nicht da war. Ich habe ihn überall gesucht, aber ich konnte keine Spur von ihm finden. Auch der Pförtner hat ihn nicht durchs Tor gehen sehen, ich habe mich erkundigt. Aber er ist fort! Allein! Und ich muß ihm nachgehen.
    Gott behüte dich, Mädchen, denn ich kann es nun nicht mehr.
    Lebe wohl!«
    Und so wollte er gehen, mit wenigen Worten und so wild entschlossenem Gesicht! Er hatte schon kehrt gemacht und zwei lange Schritte getan, bis sie ihn einholte und seinen Arm mit beiden Händen packte, um ihn festzuhalten.
    »Nein, nein, warum denn? Was braucht er von dir, verglichen mit dem, was ich von dir brauche? Laß ihn gehen! Glaubst du denn, dein Leben gehört ihm? Er will es nicht! Er will, daß du frei bist, er will, daß du dein eigenes Leben lebst, statt mit ihm zusammen zu sterben. Er weiß, daß du mich liebst! Wagst du es zu leugnen? Er weiß, daß ich dich liebe. Er will, daß du glücklich bist! Warum soll ein Freund seinem Freund nicht wünschen, daß er glücklich wird? Wie kannst du ihm seinen letzten Wunsch abschlagen?«
    Sie wußte im gleichen Augenblick, daß sie zuviel gesagt hatte, aber sie wußte nicht, an welchem Punkt der Fehler zum Verhängnis geworden war. Er hatte sich ihr wieder ganz zugewandt und stand erstarrt, das Gesicht wie gemeißelter Marmor, vor ihr. Er riß sich los, diesmal alles andere als sanft.
    »Er will es!« zischte er mit einer Stimme, die sie noch nie bei ihm gehört hatte. »Du hast mit ihm gesprochen! Du hast für ihn gesprochen! Du hast es gewußt! Du wußtest, daß er gehen wollte, und hast mich verzaubert und festgehalten und mich verführt, meinen Eid zu brechen. Du hast es gewußt! Seit wann? Wann hast du mit ihm gesprochen?«
    Er packte ihre Handgelenke und schüttelte sie gnadenlos, und sie schrie auf und fiel auf die Knie.
    »Du wußtest doch, daß er gehen wollte?« drängte Matthew, in kalter Wut über sie gebeugt.
    »Ja, ja! Er hat es mir heute morgen gesagt... er wollte es so...«
    »Er wollte es! Wie konnte er das wagen? Wie konnte er es wagen, nachdem man ihm den Ring des Bischofs geraubt hatte? Er wagte ohne den Ring keinen Schritt zu tun, er hatte Angst, den Fuß auf die Straße zu setzen...«
    »Aber er hat den Ring«, rief sie, jede Täuschung aufgebend.
    »Der Herr Abt hat ihn ihm heute morgen zurückgegeben, du brauchst dir keine Sorgen mehr um ihn zu machen. Er ist sicher, er hat seinen Schutz zurückbekommen, er braucht dich nicht mehr!«
    Matthew, immer noch über sie gebeugt, schwieg entsetzt. »Er hat den Ring? Und du wußtest es und hast kein Wort gesagt!
    Wenn du soviel weißt, dann weißt du sicher noch mehr. Sprich!
    Wo ist er?«
    »Fort«, sagte sie mit zitterndem Flüstern, »und er wünscht uns beiden Glück... er will, daß wir glücklich werden... Oh, laß ihn gehen, laß ihn doch gehen, er gibt dich frei!«
    Matthew wand sich unter einem Geräusch, das ein Lachen sein sollte. Sie hörte es mit ihren Ohren und spürte es durch ihren Körper zittern, aber es war anders als jedes Lachen, das sie bisher gehört hatte. Es ließ ihr das Blut gefrieren. »Er gibt mich frei! Und du mußtest seine Vertraute sein! Mein Gott! Er ist nicht durchs Tor gegangen. Wenn du alles weißt, dann sage mir, wie er gegangen ist.«
    Sie sank weinend in sich zusammen. »Er liebt dich, er will, daß du weiterlebst und ihn vergißt und daß du glücklich wirst...«
    »Wie ist er gegangen?« wiederholte Matthew so atemlos, daß er fast an den Worten zu ersticken schien.
    »Über den Bach«, entgegnete sie mit gebrochenem Flüstern, »auf dem kürzesten Wege nach Wales. Er sagte... er hätte dort Verwandte...«
    Er holte zischend Luft und löste seinen Griff, und sie fiel vorwärts aufs Gesicht, als er ihre Handgelenke freigab. Er drehte sich um und floh vor ihr, vergaß alles, was sie geteilt hatten, nur seiner blinden Leidenschaft folgend. Sie verstand ihn nicht, sie konnte nicht begreifen,

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