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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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einmal jetzt, so kurz vor ihrem Tod. Sanft gewelltes, rotblondes Haar, Augen so grün wie Wallnussblätter und ein rosafarbener, sinnlicher Mund. Zähne wie aus Elfenbein, Haut so weich wie ein Pfirsich. 22 Lenze jung. Ihrer Schönheit wegen weithin berühmt – sein Pech.
    Und das ihre.
    Draußen war es inzwischen dunkel geworden, und die Duftkerzen verströmten einen Hauch von Lavendel, Sandelholz und Rosmarin. Der Schatten, den sie an die Wand warf, war riesengroß, das Licht gedämpft. Ungeachtet der silbernen Karaffen, fein ziselierten Trinkbecher und Pokale aus bunt schillerndem venezianischem Glas war die Stimmung im Rittersaal merklich gedrückt. Der Lilienstrauß und die Rosenblätter auf dem blütenweißen Tischtuch änderten nichts daran. Die Atmosphäre war und blieb gezwungen, fast trist.
    Wie bei einem Leichenschmaus.
    Ein Blick auf die Stundenkerze, und ihm wurde bewusst, dass ihre Zeit gekommen war. Und so gab er sich einen Ruck, warf dem Hund die Reste seiner Lammkeule zu und griff nach dem goldgeränderten, mit Saphiren geschmückten Pokal.
    Schierling, Schlafmohn und eine Messerspitze Arsen. Eine wahrhaft tödliche Mixtur. Die Frage war lediglich, ob sie ihn und seine List durchschaute.
    Um etwas an seinem Plan zu ändern, war es jetzt ohnehin zu spät. Ein siegesgewisses Lächeln flog über sein Gesicht. Reue, Furcht oder Gewissensbisse? Alles Fremdwörter. Für ihn ohne jede Bedeutung. Die Stunde der Rache war gekommen. Mit ihrer Vorleserin, die ihm alles gebeichtet hatte, würde er zu einem späteren Zeitpunkt abrechnen. Erst einmal war sie dran. Die Frau, die sich erdreistet hatte, ihn, den Komtur der Henneburg, mit einem Pfaffen zu hintergehen.
    »Auf dein Wohl!«, prostete er ihr gut gelaunt zu und hob den Trinkbecher zum Mund. Über den schimmernden Rand hinweg konnte er ihre mandelförmigen Augen sehen. Täuschte er sich, oder hatte er soeben einen Hauch von Argwohn darin entdeckt?
    »Und auf deines.« Ihre Stimme wirkte brüchig, die Haut über dem golddurchwirkten Kragen des cremefarbenen Gewandes seltsam bleich.
    Ein hintergründiges, fast spöttisch zu nennendes Lächeln. Sie fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Lippen, lächelte erneut und griff nach dem Glas.
    Das Kinn in die Höhe gereckt, schloss sie die Augen und nahm einen kräftigen Schluck.
    Die Wirkung des Giftes hätte nachhaltiger nicht sein können. Die Hand an der Kehle, zappelte sie wie ein Aal, während sich der Inhalt des Trinkbechers über ihr Gewand ergoss. Ihr Schoß färbte sich dunkelrot, der Becher entglitt ihrer Hand, die schneeweißen Finger krallten sich förmlich am Tischtuch fest. Vom makellosen Körper seiner Frau, ihrem Schmollmund, den üppigen Rundungen und makellosen Proportionen war nichts mehr übrig geblieben. Was blieb, war verzweifeltes Aufbäumen, stoßweises Keuchen, fratzenhafte Mimik. Eine todgeweihte, wild um sich schlagende Furie, die sich mit der Kraft der Verzweiflung gegen ihr Schicksal wehrte, aufrappelte und im festlich erleuchteten Rittersaal der Henneburg einen Reigen des Todes vollführte.
    Und der Komtur, dem die Geißelhiebe der Reue das Leben zur Hölle machten.

     
    H

     
    Auf dem Altar, vor dem er zu Kreuze kroch, brannte eine Kerze, doch gegen die Finsternis in seiner Seele kam sie nicht an. Bis auf ihn und den Burgkaplan, seinen Beichtiger, war die Kapelle leer, und durch die Bogenfenster sickerte nachtschwarze Dunkelheit herein.
    Die Verzweiflung über seine ruchlose Tat saß tief. So tief, dass sie ihn fast zum Äußersten getrieben hätte. Ohne den Burgkaplan, der sich seiner Frau angenommen hatte, wäre die Katastrophe perfekt gewesen und er, Komtur des Deutschen Ordens, ein toter Mann. Wenn schon nicht im wörtlichen, so doch im übertragenen Sinn.
    »Kein Grund zur Betrübnis, mein Sohn – sie wird es aller Voraussicht nach überstehen.«
    »Dem Himmel sei Dank!« Frohe Kunde, in der Tat. Da fiel ihm wirklich ein Stein vom Herzen. Ein Grund mehr, dem Burgkaplan für seinen Beistand zu danken. Etwa in Form einer Pfründe oder kleineren Aufmerksamkeit.
    »Nichtsdestoweniger kein Grund zur Freude.«
    Davon überzeugt, er habe sich verhört, hob er den Kopf. Er witterte Ungemach, mit Recht. »Und warum nicht?«, fragte er naiv.
    »Weil Euch die Hand, welche der Allmächtige über Euer Haupt zu halten geruhte, eine Reihe von Schwierigkeiten bescheren wird.«
    »Und die wären?«
    »Zum einen wäre da die Frage, welche Erklärung für den höchst unglückseligen Vorfall

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