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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Würzburger Cella verkrochen hat, musst eben du herhalten. So einfach ist das.«
    »Aber Ihr könnt mich doch hier nicht so einfach …«
    »Und ob ich das kann!«, bekräftigte der Hüne und beugte sich über den Mönch. »Du bist nämlich keinen Deut besser als er. Dominikaner, Franziskaner, Zisterzienser – ihr Pfaffen seid doch alle gleich! Und deshalb werde ich dir jetzt eine gehörige Tracht Prügel …«
    »Nein, wirst du nicht.«
    Kurz davor, dem Wandermönch eine Maulschelle zu verpassen, brach der Kraftprotz ab, richtete sich auf und drehte sich mit geballten Fäusten um. Beim Anblick der Stadtknechte, deren waffenstarrende Phalanx ihn umzingelt hatte, kühlte er sich jedoch rasch ab. »Euer Begehr?«, blaffte er.
    Auf den Hauptmann, der ihm mit blankgezogener Klinge gegenüberstand, schien das Imponiergehabe des Kraftprotzes keinerlei Eindruck zu machen. »Mein Begehr?«, echote er. »Ad eins: Ihr möget Euch Eures Verhaltens wegen schämen. Und das von einem Jakobspilger – kaum zu glauben.«
    »Ad zwei?«
    »Ihr möget Euch an Bord des erstbesten Schiffes begeben, das mainabwärts fährt. Und zwar noch vor dem Mittagsläuten. Tut Ihr dies nicht, wird Eure Pilgerfahrt droben im Burgverlies enden.«

     
    H

     
    Ein Schiff dieser Größe bekam man nicht alle Tage zu Gesicht. Darin waren sich die Tagelöhner, Fischverkäufer und Fuhrknechte an der Anlegestelle einig. Worüber die Meinungen jedoch auseinandergingen, war der Grund, weshalb es von den Reisigen durchsucht wurde. Diesbezüglich war partout nichts in Erfahrung zu bringen gewesen. Und so kam es, dass im Nu die wildesten Gerüchte kursierten. Die einen wollten etwas von Schmugglern gehört haben, die anderen von Piraterie. Eines jedoch war gewiss: So gründlich wie die ›Charon‹ war schon lange kein Schiff mehr auf den Kopf gestellt worden.
    Punktum.
    Da es jedoch am heutigen Feiertag nichts zu tun und noch weniger zu begaffen gab, schwoll die Menge an der Anlegestelle beträchtlich an. Die Stundenglocke im Turm der Stiftskirche schlug fünf Mal [15] , und da bis zum Mittagsläuten noch Zeit war, kam den Schaulustigen der Disput an Bord des Schiffes mit dem merkwürdigen Namen gerade recht.
    Bruder Hilpert jedoch nicht. Denn noch immer war der Kapitän nicht bei Bewusstsein. Der klaffenden Wunde in der linken Schulter zum Trotz hatte er jedoch mächtig Glück gehabt. Eine halbe Elle tiefer, und jede Hilfe wäre zu spät gekommen. Dass er den Bolzen selbst entfernt hatte, grenzte an ein Wunder. Dank Richwyn, der das Ruder übernommen hatte, waren die Passagiere noch einmal mit dem Schrecken davongekommen.
    So weit, so gut.
    Wäre der gräfliche Hilfsvogt nicht gewesen, der Bruder Hilpert nicht von der Seite wich. »Und wozu soll das gut sein?«, grummelte der jugendliche Heißsporn mit dem schulterlangen Haar, als Bruder Hilpert die Stirn besaß, sich um das Wohl eines hergelaufenen Galgenvogels zu kümmern. Weshalb er dies tat, wollte dem Hilfsvogt nicht in den Kopf.
    »Aus Mitgefühl«, tat Bruder Hilpert kund, während er neben dem Kapitän auf dem Achterkastell kniete und seine Wunde zu versorgen begann. Er tat dies wider besseres Wissen, einfach deshalb, weil er es für Christenpflicht hielt. Noch war die Durchsuchung des Laderaums nicht beendet, und solange es keine Anhaltspunkte für wie auch immer geartete Vergehen gab, würde er das tun, wozu ihn sein Gelübde verpflichtete: sich um die Notleidenden dieser Welt kümmern.
    »Was heißt hier ›Mitgefühl‹?«, begehrte der Hilfsvogt auf, der Bruder Hilperts Versuche, die Wunde zu säubern, mit deutlicher Skepsis begutachtete. »Was sich der Kerl geleistet hat, war doch wohl ein starkes Stück.«
    »Kommt drauf an, von welcher Seite aus man den Kasus betrachtet«, erwiderte Bruder Hilpert und fischte eine Phiole mit Wundsalbe aus seiner Tasche heraus. Dann begann er damit, den Arm des Kapitäns zu bandagieren. Um dies zu bewerkstelligen, war es mit dem Hochkrempeln des linken Ärmels jedoch nicht getan. Bruder Hilpert musste seinem Patienten das Hemd ausziehen. Was er denn auch tat. »Im Übrigen war es fast unmöglich, eine Kollision zu vermeiden. Selbst für erfahrenere Kapitäne«, erwiderte er, während er dem Schiffsjungen einen Wink gab, ihm beim Entkleiden zu helfen. Richwyn, der Emicho keinen Moment aus den Augen ließ, sah mit verschränkten Armen zu, und die beiden weiblichen Passagiere hatten sich in ihrer Kajüte verkrochen. »Was den Verdacht nahelegt, dass Ihr und

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