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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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der Visitator brach abrupt ab. Ohne viel Federlesens zu machen, betrat Berengar die Kajüte, gesellte sich zu Bruder Hilpert und flüsterte ihm ein paar Sätze ins Ohr. Coelestinus konnte seine Überraschung nicht verbergen, und die Miene, mit der er den Vogt taxierte, sprach Bände. Doch dann wandte er sich wieder den drei Tschechen zu. »Wie gesagt –«, begann er, bemüht, den Faden nicht zu verlieren, »was Euch betrifft, braucht man sich wegen eines Motivs wenigstens nicht den Kopf zu zerbrechen.«
    »Da bin ich aber gespannt.«
    »Und das ohne jeden Grund, Herr Kapitän«, konterte Coelestinus süffisant. »Man stelle sich vor: Nach dem Prozess, der für Jan Hus, Euren Meister, mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen und für Euch mit einer lebenslangen Haftstrafe endet, werdet Ihr der Obhut des Dominikanerkonventes zu Würzburg respektive derjenigen eines gewissen Malachias überstellt. Und der, nicht faul, geht daran, Euch auf jede nur erdenkliche Weise zu quälen. So zum Beispiel indem er dich, Pavel, in ein Fass mit Aalen und anderem Gewürm stecken oder Euch, Kapitän, das linke Auge ausstechen lässt. Das alles unter dem Vorwand, der Verdacht auf Ketzerei bestehe fort. Der Grund: Er kann es nicht ertragen, dass Ihr während der Verhöre auf dem Reichstag zu Konstanz standhaft geblieben und im Gegensatz zu Eurem Meister Jan Hus vom Tod auf dem Scheiterhaufen verschont geblieben seid. Das zum Thema widernatürlicher Hass. Und außerdem hat er schlicht und ergreifend Freude daran, andere Menschen zu quälen.«
    »Seele um Seele, Auge um Auge, Zahn um Zahn – gesetzt den Fall, ich hätte das Dreckschwein wirklich auf dem Gewissen: Was wäre denn so schlimm daran?«
    »Die Tatsache, Hlavá č ek, dass Gott der Herr das Töten verbietet!«, herrschte Bruder Hilpert den Kapitän an. »Wenigstens in diesem Punkt sollte doch wohl zwischen uns Einigkeit herrschen.«
    Der Kapitän hörte nicht hin. »Und was ist eigentlich mit dem Mädchen?«, setzte er sich vehement zur Wehr. »Wenn jemand mit Malachias eine Rechnung offen hat, dann sie. Oder habt Ihr ihre Messerattacke schon wieder vergessen?« Der Kapitän rümpfte die Nase. »Merkwürdig, dass Ihr sie nicht auf der Rechnung habt.«
    »Noch ein Wort, und ich erteile Euch eine Lektion, dass Euch Hören und Sehen vergeht!« In der Eile hatte Berengar die Kajütentür nicht richtig geschlossen, und so hatte keiner der Anwesenden das Erscheinen der Matrone registriert.
    Der Kapitän hielt sich den Bauch vor Lachen. »Meiner Treu!«, prustete er. »Noch so eine Attacke, und ich scheiße mir vor Angst in die Hosen.«
    »Solltest du auch, Einauge.«
    Hlavá č eks Heiterkeit verflog im Nu. »Was hast du gerade eben gesagt, du fette Wachtel?«, giftete er, während seine Hand an die Dolchscheide fuhr. »Spuck ’ s aus, bevor ich dir dein Doppelkinn ausrenke!«
    Die Matrone schnappte nach Luft und steuerte mit geblähten Segeln auf den Kapitän zu. Dank Berengar, der ihr in den Arm fiel, war es mit ihrem Tatendrang jedoch rasch vorbei.
    Der Komtur ergriff die Gelegenheit beim Schopf. »Und was ist eigentlich mit der da?«, nahm er die Matrone mit ausgestrecktem Zeigefinger aufs Korn. »Über jeglichen Verdacht erhaben, oder was?«
    »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. [24] « Bruder Hilpert sprach wie zu sich selbst, scheinbar ohne die übrigen Passagiere zu beachten. Und erzielte die gewünschte Wirkung: Stille.
    »Und was jetzt?« Es war der Kapitän, der sich schließlich zu Wort meldete, erheblich kleinlauter als zuvor.
    »Immer mit der Ruhe«, antwortete Bruder Hilpert und sah ihn dabei nicht einmal an. »Noch sind die Ermittlungen nicht abgeschlossen.«
    »Falls sie es überhaupt je sein werden.«
    »Werden sie, Herr von Henneberg, werden sie«, bekräftigte Bruder Hilpert salopp. »Nur noch ein Mosaiksteinchen, und das Bild ist komplett.«
    »Wunschdenken.«
    »Keinesfalls, Hlavá č ek, keinesfalls.« Auge in Auge mit der Matrone, die beschämt den Blick niederschlug, gab sich Bruder Hilpert betont freundlich und fragte: »Eine Bitte, Frau …«
    »Raab, Chlotilde Raab.«
    Hlavá č ek und der Komtur sahen überrascht auf, verkniffen sich jedoch jeglichen Kommentar.
    »Eine Frage: Tragt Ihr eigentlich Schmuck?«
    Die Tuchhändlerwitwe machte ein verdutztes Gesicht. Dann schüttelte sie den Kopf. »Höchst selten!«, antwortete sie barsch. »Wieso?«
    »Beschränkt Euch auf die Beantwortung meiner Fragen, wenn ’ s beliebt.« Der

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