Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
unbestimmt. »Pilgerinterne Projekte. So was haben wir laufend.«
Der Kanzleidirektor
wollte etwas erwidern, doch eines seiner Handys meldete sich mit einem Kirchenchor.
Er blickte auf das Display, sagte hektisch und kurz angebunden »muss mal kurz raus«,
und verließ das Büro.
Um mich
nicht zu verzetteln, stellte ich meinen Plan für die nächsten Tage vor.
»Morgen
Vormittag werde ich Sie zuhause besuchen, Herr Nönn, um Ihren Nachbarn unter die
Lupe zu nehmen. Ich glaube zwar nicht, dass es etwas mit der Sache zu tun hat, daher
geht es zunächst nur um eine Art Ausschlussdiagnostik.«
»Aber«,
meldete sich der Chefredakteur, »ich habe morgen tagsüber frei und treffe mich mit
Herrn Fratelli erst gegen 18 Uhr im Verlag.«
»Das ist
doch prima. Ich werde morgen früh gegen zehn Uhr bei Ihnen sein, da sollte es längst
hell sein. Brauchen Sie auch fünf Tassen Kaffee zur Menschwerdung?«
Wolf war
inzwischen wieder zurückgekommen, und irgendwie funkelten seine Augen erregt.
»Da komme
ich auch mit, Herr Palzki. Wir treffen uns hier um halb zehn, um mit meinem Wagen
nach Hockenheim zu Herrn Nönn zu fahren. Dann können Sie mal ein richtiges Auto
erleben.«
Mist, dieser
Wolf hing an mir wie eine Klette. Wenn er mir auch vielleicht innerhalb der Kirche
nützlich sein konnte, bei einem Nachbarschaftsstreit bestimmt nicht.
»Okay«,
sagte ich. »Danach würde ich gerne die Strukturen des Bischöflichen Odina –, äh,
Ordinariats kennenlernen. Und die Empore im Dom würde ich auch gerne sehen.«
»Kein Problem,
ich habe Schlüssel für alle Türen. Nur für diesen Verlag nicht. Aber das wird sich
auch ändern müssen.«
Ich bemerkte
erneut die Spannungen zwischen Verlag und Wolf.
»Das wird
ein langer Tag«, schloss ich. »Abends fahren wir dann zum Vortrag nach Otterberg.
Können wir alle vier gemeinsam fahren?«
»Auf keinen
Fall, lieber Herr Palzki. Fratelli und Nönn sollen ruhig getrennt fahren, dann können
sie während der Fahrt nochmals ihre Dialoge durchgehen. Auf das Theater, ich meine
auf den Vortrag, bin ich sehr gespannt.«
Ich verabschiedete
mich und bekam am Rande mit, wie Wolf ein paar Kaffeepakete in einer Plastiktüte
verstaute. »Kurzfristige Erste-Hilfe-Maßnahmen«, nannte er dies.
Im Empfangsraum
vermied ich das Anschauen der Ungeheuerpflanze. Im gleichen Moment kam der Mann
zur Eingangstür herein, der mir nach meiner kleinen Pfeilereinlage das Glas Wasser
gereicht hatte.
»Alles wird
gut«, murmelte er vor sich hin und ging an mir vorbei.
Nina Mönch
versprach mir, die einzelnen Termine in der nächsten halben Stunde, sobald sie den
Projektplan in ihr Computerprogramm eingetragen hatte, zu mailen. Ich brummte etwas
von momentanen Computerproblemen auf der Schifferstadter Kriminalinspektion und
erbat eine Kopie per Fax.
Endlich
konnte ich in meinen Dienstwagen, den ich durchaus in Ordnung fand, einsteigen und
den ungewöhnlichen Verlag verlassen. Da mein Magen inzwischen in die Kniekehlen
gesackt war, machte ich wegen meines ausgeprägten Überlebenswillens einen Zwischenstopp
bei der ›Curry-Sau‹. Nach gut 2.000 Kilokalorien war ich einigermaßen satt und fuhr
nach Schifferstadt zur Dienststelle. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm. Wenn ich
zu diesem Zeitpunkt bereits gewusst hätte, was in den nächsten Stunden auf mich
zukommen sollte …
6
Der verlorene Sohn
Bereits vom Parkplatz aus hörte
man das Dröhnen der Motoren, und das wurde keineswegs über den Wolken produziert.
In KPDs Büro waren die Arbeiter offensichtlich fleißig zu Gange. Mir war das relativ
egal, ich wollte sowieso nur eine Stippvisite machen und morgen war ich den ganzen
Tag außer Haus.
Mein Kollege
Gerhard Steinbeißer saß bei Jutta im Büro, und sie schienen wegen der Geräuschkulisse
mehr als genervt zu sein.
»Hallo,
Kollege«, begrüßte mich halb schreiend Gerhard. »Willst du kurz vor Feierabend noch
ein bisschen deine Trommelfelle quälen?«
»Wieso?
Ist da was?«, schrie ich wegen des Lärms zurück. »Ich höre nichts. Hast du dir vielleicht
bei deiner neuen Freundin einen Tinnitus eingefangen?«
Gerhard
genoss sein Leben. Trotz zurückweichenden Haarkranzes wechselten seine Lebensgefährtinnen
regelmäßig. Spätestens dann, wenn das Thema Kinder und Kindererziehung zur Debatte
stand.
Jutta lachte.
»Das kann ihm eigentlich nur bei deiner Nachbarin, Frau Ackermann, passieren. Ich
denke, dass da unser Gerhard eher weniger ambitioniert ist.«
»Ihr seid
blöd«, reagierte
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