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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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Gemüse eindrangen. Dort warteten sie, still und unbemerkt, um dann in Madeleines Körper wieder zum Leben zu erwachen und ihre Arbeit in den Drüsen und Schleimhäuten oder sonstwo zu verrichten.
    Ich deckte den Küchentisch und öffnete noch eine Flasche Burgunder. Dann zündete ich die Kerzen im Kandelaber aus Zinn an, löschte das Deckenlicht und rief Madeleine.
    »Und, wie findest du es?« fragte ich, als sie den ersten Bissen gegessen hatte.
    Sie runzelte nachdenklich die Stirn, machte übertriebene Kaubewegungen und schnalzte mit der Zunge. Ich war so nervös, daß ich zitterte.
    »Tja«, sagte sie kritisch.
    »Ich kann nicht so gut kochen«, murmelte ich.
    »Nicht?«
    Und dann kam es, glitt über ihre Wange: das wunderbare Lächeln, das die ganze Küche erhellte und all meine Sorgen vergehen ließ. Sie legte ihre Hand auf meine und sagte sanft:
    »Gunnar, mein Lieber, das ist dir wirklich geglückt. Man könnte fast glauben, du bist Franzose.«
    Eine Sekunde lang raste das Glück in mir wie eine Herde wild gewordener Pferde.
    »Aber«, fügte sie hinzu, »so gut wie dein Vater bist du noch nicht. Wie schmeckt denn dein Essen?«
    Ich war viel zu angespannt, um mit Appetit zu essen, aber ich aß pflichtschuldig ein paar Löffel von meinem Linseneintopf und sagte, es sei ganz gut.
    »Du hast bestimmt immer sehr gut gegessen«, murmelte ich, »in diesen Jet-set-Kreisen, meine ich.«
    Vater hatte erzählt, daß Madeleine sich in ihrer Zeit als Fotomodell in den Kreisen des europäischen Jet-sets bewegt hatte.
    »Tja«, sagte Madeleine. »Da habe ich überhaupt nicht viel gegessen. Eine halbe Grapefruit. Etwas Salat. Als Model muß man immer an die Figur denken, weißt du. Nein, erst als ich meinen Grafen kennenlernte, fing ich an, richtig zu essen. Mein Gott, was habe ich gegessen! Ich konnte ja so dick werden, wie ich wollte, meine Versorgung war schließlich gesichert.«
    »Aber du bist nicht dick geworden, Madeleine.«
    »Nein. Ich hatte plötzlich andere Sorgen und verlor den Appetit. Aber jetzt reden wir nicht mehr darüber. Das schmeckt wirklich gut, Gunnar. Welche Zutaten hast du denn verwendet?«
    »Hähnchen. Und Speck. Karotten. Und … alles mögliche!« sagte ich nervös.
    Sie stocherte mit einem neugierigen Blick im Essen, das gefiel mir nicht.
    »Was sind das für Pilze? Können wir nicht einmal etwas ohne Pilze essen, wenn Holger nicht da ist?«
    »Was?« keuchte ich. »Nein, das ist absolut kein …«
    Sie hielt triumphierend ihre Gabel hoch. Sie hatte einen kleinen runden Champignon aufgespießt.
    »Aber meine Güte, das ist doch nur ein Champignon!« rief ich aus. »Kein Grund zur Aufregung. Das stand so im Rezept. Ein Champignon. Aus der Dose. Das ist kein Pilz.«
    »Natürlich ist das ein Pilz.«
    »Dosenchampignons sind keine Pilze. Vater sagt …«
    Ich war so aufgeregt, daß ich nicht merkte, wie sie sich über mich lustig machte. Sie war eine Weile ernst geblieben, aber jetzt schüttete sie sich aus vor Lachen.
    »Vater sagt, Vater sagt«, äffte sie mich nach. »Wann willst du dich endlich von deinem Vater lösen, Gunnar?«
    Sie streckte ihre Hand nach mir aus und strich mir über die Wange. Ich stand immer noch unter Schock. Ich dachte natürlich, sie hätte den Höhlenpilz entdeckt. »Dosenchampignons sind keine Pilze«, wiederholte ich störrisch und wischte ihre Hand weg.
    »Als ich so alt war wie du, habe ich schon einige Jahre für mich selbst gesorgt«, sagte Madeleine.
    Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her.
    »Als ich zwölf war, stand ich Modell für Strickanleitungen. Strickkleider aus Wolle, direkt auf dem nackten Körper, stell dir das vor. Das juckte wie der Teufel, aber meiner Mutter zuliebe biß ich die Zähne zusammen, denn wir brauchten das Geld. Und als ich sechzehn war, kamen die Versandhauskataloge. Slips und BHs. Das Gesicht konnte man nicht sehen, die Fotos wurden am Hals beschnitten, aber es kam doch heraus, daß ich es war. Und was von einem Mädchen zu halten ist, das für Unterwäsche Reklame macht, das weiß man ja. Du scheinst erstaunt zu sein? Aber so war das damals. Als ich siebzehn war, zog ich nach Stockholm und ging für das Modehaus NK auf den Laufsteg. Die Tussies aus Östermalm klatschten. Die Kolleginnen meiner Mutter aus der Textilfabrik waren so beeindruckt, daß ihnen nichts mehr einfiel. Das war tatsächlich so etwas wie eine Revanche.«
    Sie hob triumphierend einen Zeigefinger.
    »Als ich in deinem Alter war, wohnte ich in Mailand und hatte

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