Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
Tannenberg ins Wort.
»Elvira Kannegießer und Jutta Müller heißen die bisherigen Opfer.«
»Was? Um Gottes willen! Das gibt’s doch nicht«, rief die Frau erschüttert, lehnte ihr Fahrrad, das sie die ganze Zeit über am Lenker festgehalten hatte, an einen Brennholzstapel und setzte sich auf einen breiten Hackklotz, der neben dem aufgeschichteten Buchenholz stand.
»Doch, leider ist es so. Aber es kommt noch viel schlimmer für Sie«, legte Schauß recht unsensibel nach.
»Wieso?« Man merkte deutlich, wie blanke Angst von der Frau Besitz ergriff.
»Weil es sein kann, …«
»Wir möchten von Ihnen gerne Folgendes wissen«, unterbrach Tannenberg seinen Kollegen, dessen Gesprächsstrategie ihm nicht zu passen schien. »Sie haben doch in den Jahren 1995 und 1996, als Sie bei der Kreisverwaltung beschäftigt waren, gemeinsam mit Frau Kannegießer und Frau Müller bei einem Betriebsausflug teilgenommen, bei dem eine Pilzexkursion durchgeführt wurde und wo man danach gemeinsam in eine Wirtschaft eingekehrt ist.«
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Bitte beantworten Sie uns die Frage!«, drängte Schauß.
»Und abends haben Sie an einem Tisch mit den beiden Frauen und einem Mann gesessen«, schob Tannenberg direkt nach, der augenscheinlich nicht bereit war, die Gesprächsführung wieder an seinen jungen Kollegen abzugeben.
»Ich hab nicht mit Petra und Jutta und irgendeinem Mann an einem Tisch gesessen!«, stellte Frau Stein unmissverständlich fest.
»Wieso nicht?«
»Weil ich nie mit den beiden gemeinsam an einem Betriebsausflug teilgenommen hab. Ich hab nur ein halbes Jahr bei der Kreisverwaltung gearbeitet. Aber in dieser Zeit gab’s dort keinen Betriebsausflug.«
»Sind Sie sich da ganz sicher?«, fragte Tannenberg völlig perplex.
»Ja, da bin ich mir ganz sicher!«
»Gut, dann müssen Sie sich keine weiteren Sorgen machen!«
»Warum?«
»Weil der Mörder es sehr wahrscheinlich nur auf Frauen abgesehen hat, die bei diesem Betriebsausflug dabei waren. Aber beobachten Sie trotzdem in der nächsten Zeit Ihre Umgebung auf verdächtige Personen, merkwürdige Vorkommnisse usw. Und wenn Ihnen etwas auffällt, melden Sie sich bitte sofort bei uns.«
»Mach ich! Gott sei Dank!«, seufzte Frau Stein erleichtert und begann munter drauflos zu plappern: »Wissen Sie, das war damals ziemlich blöd. Gerade als ich die Arbeitsstelle gewechselt hatte, bin ich nämlich schwanger geworden. Und da wir so lange auf ein Baby gewartet …«
Tannenberg war nicht an weiteren Details der Steinschen Familienplanung interessiert, unterbrach deshalb den Redeschwall der Frau abrupt und verabschiedete sich mit wenigen Worten, während Schauß ihr die Visitenkarte des K 1 überreichte.
»Ich glaub es einfach nicht!«, schimpfte der junge Kriminalkommissar und startete den Motor. »Hat diese blöde Tussi von vorhin sich doch tatsächlich geirrt! Und wir hetzen uns hier ab, um ein potentielles Mordopfer ausfindig zu machen, das gar keins ist, weil die Frau damals gar nicht dabei war! Ich hab’s doch gleich gewusst! Die war mir sofort unsympathisch und nicht glaubwürdig. Aber der Herr Hauptkommissar musste sie ja auf eine derart widerliche Weise anschleimen, das war richtig peinlich!«
»Jetzt halt aber mal den Rand!«, gab Tannenberg aggressiv zurück. »Laber hier nicht rum, sondern lass dir von der Zentrale mal die Adresse dieser Frau Krämer durchgeben. Die knöpfen wir uns jetzt gleich nochmal vor. Das darfst du dann machen, du alter Klugscheißer!«
Die Rückfahrt in die Stadt ging in angespannter Ruhe über die Bühne: Schmollend steuerte Schauß den Wagen, während Tannenberg demonstrativ wortlos durch die Frontscheibe starrte.
Diesmal hatten die beiden Ermittler keinerlei Probleme damit, schnell die Wohnung der Informantin in der Mannheimerstraße ausfindig zu machen. Nach mehrmaligem aggressivem Läuten öffnete ein angetrunkener, unrasierter Mann in ausgebeulten Jogginghosen laut fluchend die Tür und ließ sich nur durch die gezückten Dienstausweise beruhigen.
Im verwahrlosten Wohnzimmer saß Frau Krämer und stierte die Eindringlinge mit glasigem Blick an. Kommissar Schauß ging als Erstes zu dem lärmenden Fernsehgerät und schaltete es aus. Dann wandte er sich der immer noch auf der abgesessenen Couch hingelümmelten Frau zu.
»Sind Sie eigentlich bescheuert?«, schnauzte er sie sofort massiv an. »Ist Ihnen denn nicht klar, um was es hier geht? Da draußen läuft eine Killermaschine rum und Sie führen
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